(Etwas Persönliches) Wieso schreibe ich das hier alles gerade? Für wen und warum?
Dass ich schreibe, ist normal. Seit ich schreiben gelernt habe, schreibe ich und schon immer war es mir ein Bedürfnis, meine Gedanken und Empfindungen zu verschriftlichen. Ich begann mein erstes Tagebuch (das ich leider verloren habe, aber an dessen Umschlag ich mich noch genau erinnere), mit Anfang neun. Das folgende besitze ich aber noch, da war ich auch noch neun. Also muss ich in weniger als einem Jahr das erste Tagebuch vollgeschrieben habe und meiner Erinnerung nach war das ganz schön dick gewesen. Klein, DnA6 Größe, aber mit vielen Seiten. Allerdings habe ich damals auch sehr groß geschrieben, wie das wohl die meisten Grundschulkinder tun.

Seitdem schreibe ich Tagebuch. Schon damals habe ich dort nicht einfach reingeschrieben, was passiert ist, sondern von Anfang an auch, was ich davon halte, was mir widerfahren ist und was meine Beobachtungen mit mir machen. Ich habe inzwischen mehrere Kartons voll. Einige Tagebücher sind verloren gegangen – vor allem die, die ich dann mal eine kurze Zeit digital geführt habe, denn die sind inzwischen nicht nur in einem Dateiformat, sondern vor allem auf einem Speichermedium, das heute nicht mehr lesbar ist. Ich kenne noch die weiche schwarze Floppie-Disk. Meine Mutter hatte damals den ersten Commodore64, an den ich mich aber kaum rangewagt habe. Aber die meiste Zeit meines Lebens habe ich Tagebücher mit der Hand geschrieben – deswegen die vielen Kartons voll. Aber deswegen kann ich sie heute auch noch lesen. Und irgendwann mal verbrennen, denn die sollen niemals von jemand anderem gelesen werden, auch nicht von meinen Kinder. Sie sind auch instruiert, die mit handschriftlichen Tagebüchern gefüllten Kartons so wie sie sind zum Schreddern zu bringen, wenn ich es zu Lebzeiten nicht mehr rechtzeitig schaffe, weil mein Ende sich nicht angekündigt hat, zum Beispiel mit einer Krebsdiagnose oder der Notwendigkeit eine Nierendialyse, sondern ich einfach mit einem Unfall oder einem Herzinfarkt aus dem Leben trete.


Es macht einen Riesenunterschied, ob man mit der Hand oder einer Tastatur schreibt. Der Gedankenfluß ist anders. Ich würde nie einen Roman oder eine Kurzgeschichte mit der Hand schreiben und seit 20 Jahren schreibe ich wieder Tagebuch mit der Hand. Damit bin ich beim eigentlichen Thema: warum mache ich das hier? Und für wen? Die letztere Frage kann ich tatsächlich noch nicht beantworten. Ich versuche mich also erstmal mit dem “Warum”.


Ich habe mehrere Romane in den letzten drei Jahrzehnten begonnen und eine unübersehbare Anzahl an Fragmenten angesammelt. Viele Kurzgeschichten verfasst. Unmengen an Plotideen überall notiert. Ich schreibe für mein Leben gern. Als ich Ende Zwanzig war, gab es einen Moment, da wollte ich alles andere hinschmeißen – ich hatte gerade mein Jurastudium abgeschlossen und suchte verzweifelt und erfolglos nach Arbeit – und es doch zu probieren: Schriftstellerin zu werden. Ich schickte das Manuskript meines fertig gewordenen Romans an drei Verlage. Einfach so, auf gut Glück. Das war 1998. Ihr findet ihr jetzt als eBook auf amazon und weltbild.de, wo ich ihn dann vor einigen Jahren hochgeladen habe. Heute hätte es der Umschlag nicht mal mehr bis auf irgendeinen Schreibtisch eines Verlages geschafft, da man keine Manuskripte mehr verschickt, sondern Exposé erstellt, in der es nicht mehr als eine Inhaltsangabe, die Kernidee und ein Probekapitel gibt. Ich bekam von zwei Verlagen damals Antwort. Der eine schrieb nur: “Passt nicht in Verlagsprogramm.” Und der andere machte sich immerhin die Mühe und gab eine Meinung ab: “Würde sich besser als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift machen.” Immerhin.

Dann bekam ich endlich einen Job. Ich zog nach Paris – und bekam mein erstes Kind mit 32. Damit war meine Schriftstellerkarriere eigentlich bereits beendet, denn ich hörte ab dem Zeitpunkt nie auf, viel zu arbeiten, um dann auch das zweite Kind ernähren zu können. Es stellte sich heraus, dass der Kindesvater leider nicht in der Lage war, finanziell und auch sonst sich substanziell an der Aufzucht unserer Kinder zu beteiligen. Ich verließ ihn und dann war zusätzlich auch noch alleinerziehend. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich arbeite, um Geld zu verdienen und erziehe zwei Kinder allein.
Immer wieder habe ich versucht, unter den Bedingungen einen Roman komplett zu Ende zu schreiben. Das war schon schon schwierig genug, aber vor allem wurde mir klar, dass einen Verlag für seinen Roman zu finden mehr Zeit und Geld braucht, als den Roman überhaupt zu schreiben.


Jede Plotidee hat seine Zeit. Man schreibt mit 30 anders als mit 50. Romanfragmente von vor 20 Jahren werde ich jetzt nie wieder zu Ende schreiben. Tatsächlich nicht mal die von vor 10 Jahren.
Ich las von einem Krimi-Autor, der tagsüber einem geregelter Arbeit nachging, aber morgens um 4h aufstand und schrieb, bis sein eigentlicher Job losging, irgendeine anspruchslosen Beamtentätigkeit. So produzierte er Krimis am Band.
Ich versuchte das Gleiche in meiner Verzweiflung. Ich stehe seit über drei Jahren morgens um 5h auf, eine zeitlang auch früher, meine innere Uhr ist längst darauf geeicht – und quält sich dann jedesmal bei der Zeitumstellung im März!


Ich schreibe jeden Morgen. Wenigstens Tagebuch oder private E-mails. Mehr schaffe ich meist nicht. Manchmal eine Kurzgeschichte. Einen Roman muss man dagegen durchschreiben, im Flow, man beginnt morgens bis zum Abend, tagelang. Man liest vielleicht zwischendurch, geht spazieren, wie Thomas Mann das immer gemacht hat: erst vormittags viele Stunden schreiben, dann zwei Stunden spazierengehen – aber als Teil des Schreibprozesses. Ich mache dasselbe, wenn ich Ulraub habe. Spazierengehen und meinen Geist weiter mit meinem Roman beschäftigen lassen, das ist das A und O. Selten, sehr selten, komme ich den Genuß solcher Tage.

Letztes Jahr habe ich mir Urlaub genommen und ein paar Tage ein AirBnB in Müritz gemietet. Meine beiden recht großen Kinder allein gelassen. Drei Tage habe ich es genossen, dann wurde meine Tochter krank, ich musste frühzeitig meinen Urlaub abbrechen. Dieses Jahr wollte ich wieder meinen Urlaub nur zum Schreiben nutzen wollte. Dann stürzte just in dieser Zeit meine Mutter schwer und wurde zum Pflegefall. Wenn man die Kinder halbwegs durch hat, kommen die Eltern.

Viele in meinem Freundes- und Familienkreis sagen, dass meine Gechichten manchmal sehr wiederspiegeln, was mich beschäftigt, und das ist u.U. auch als Kritik gemeint, in dem Sinne, dass ich mich nicht genug von mir selbst lösen. Sie hat sicher Recht. Aber wenn man morgens um fünf aufwacht, sofort autoamisch die to-do Liste des Tags im Gehirn losrattert, man nur alles zu Seite schiebt, sich einen Kaffee holt und auch die Uhr guckt und weiß: jetzt genau 2 1/2h bis die Tochter aufsteht, eine Viertel Stunde später der Sohn, dann beginnt der eigene Job – dann taucht man nicht schreibend in eine Geschichte ein, wo man sich von sich selbst und seinem Leben loslöst. Aber das ist auch ein Einwiclungsprozess im Schreiben. Mit jedem Jahrzehnt, das ich älter werde, entferne ich mich vom autobiographischen Schreiben. Mit fünfzig habe ich einen Sprung absolviert und mich ganz davon gelöst. Nichtsdestotrotz sind alle meine Erzählungen stark von meinen momentanten Gefühlen und Gedanken gefärbt. Ich gehöre zu den Autoren, die, wie Maria Zuhorst von sich selbst sagt, die nicht schreiben können, was sie sollen, sondern nur das, was sie fühlen.

Seit ich mich zunehmend für Gesellschaftspolitik interessiere, auch mit wachsender Sorge, verändern sich die Themenbereiche meiner Erzählungen. Ich fühle mich mehr gedrängt, die philosophische und psychologische Seite unserer Gesellschaft und unseres Alltagslebens darszustellen als ihre humoristische.

Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen für die Menschheit, für unseren Planeten? Für unseren Alltag? Für unsere Kinder? Und mich drängt es, darüber zu schreiben. Immens drängt es mich. Und das dann auch in meinen Kurzgeschichten zu verwursten. Lebhafte Kurzgeschichten, die aber auch was vermitteln. Die ein Phänomen unserer Gesellschaft vermitteln. Ich kann es kaum noch aus meinen Geschichten lassen, zumindest nicht zur Zeit. Zu sehr beunruhigt mich auch, was auf der Welt passiert.

Mir kommen dann lauter spinnrige Ideen, selbst einen Podcast zu machen, einen Youtube Kanal mit Interviews, die ich mit jungen Leuten führe, eine Blogseite, auf Insta was zu initiieren.

Hier ist also zumindest schon mal der Blog, der Band mit Kurzgeschichten wächst auch, ich stehe morgens konsequent um 4.30h auf – und 2023 werde ich ihn hier vorstellen können :-).

(Foto: Jannae Nadius)

Was ich fühle und denke, muss über das Schreiben aus mir raus (persönlich)

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Ein Gedanke zu „Was ich fühle und denke, muss über das Schreiben aus mir raus (persönlich)

  1. Liebe Jannane,Sie schreiben mir aus der Seele.Auch ich habe schon länger das Bedürfnis,meine Gedanken niederzuschreiben.Ich möchte dass,als erinnerung an meine Eltern machen,da ich keine mir bekannten Verwanten mehr habe und mit meinem Tod alles Vergessen wird.Ich bin 75Jahre und ich kann mich noch gut erinnern was meine Oma mir immer von der Familie erzählt hat,sie starb leider als ich 12Jahre.war.Was halten Sie davon? Es würde eine Erinnerung an den Zeitraum von ungefähr 150 Jahren.Ich würde mich sehr freuen,wenn Sie mir Ihre Meinung dazu kurz schreiben.Ein schönes Wochenende Angela Suchen Ich lebe schon seit 1970 in der Tschichischlovakei und seit ca 30 Jahren in Budweis.

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