Kategorie: Essays

Die heutige Generation der Generationen YZ

Burnout Kids und mutlose Mädchen

Foto: Yaroslav Shuraev (pexels.com)

Keine Generation ist wie die vorherige. Seit Beginn der Moderne charakterisiert sich jede Generation unterschiedlich zu der ihrer Eltern. Mit zunehmender Komplexität der Gesellschaften steigt auch der Facettenreichtum der jeweiligen Jugendgeneration. Mir erscheint, dass man bisher eine gewisse Homogenität der einzelnen Generationen beobachten konnte. Seit dem Eintritt in die digitale Revolution fällt mir jedoch ein Phänomen der mehrfachen Aufspaltung auf: es gibt heute nicht mehr „die eine“ junge Generation, sondern ich beobachte mehrere Generationen nebeneinander, die sich überlappen können, aber in vielem auch auseinanderklaffen und zum Teil diametral entgegenlaufen. „Die“ eine junge Generation scheint es so nicht mehr zu geben, sondern mehrere, zum Teil widersprüchliche. Und diese Generationen sind gefühlt auch vom Intervall her kürzer. Inzwischen spürt man schon einen Generationssprung zwischen der 6. und 9. Klasse, zwischen den Studienanfängern und den Studienabgängern, dem Azubi und dem Gesellen.

Generation YZ

Sie sind Teil der Generation „Z“, oder auch Post-Millennials genannt: Ihr werden überwiegend diejenigen zugerechnet, die zwischen 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind, aber je nach Autor wird auch ein Beginn zwischen 1990 und 2000 angenommen. Die vorhergehende Generation Y, die „digital natives“, geboren bis 2000, überschneiden sich mit ihnen und nicht immer erschließt sich einem die Trennung zwischen Y und Z. Das ist aber auch nicht entscheidend, denn dabei geht es nicht um die exakte Jahreszahl, sondern um das Charakteristikum, dass diese Generation von Anfang an mit den digitalen Medien aufgewachsen ist und vielleicht spricht man irgendwann auch zusammenfassend von den Generationen YZ. Ich werde diese Trennung hier deswegen auch nicht akribisch verfolgen.

Was diese Generation sonst noch so prägt, da gehen die Meinungen der Soziologen und Psychologen auseinander – je nachdem, welche der Strömung der Jugendlichen, die ich hier betrachten möchte, sie gerade beurteilen.

In einem sind sich aber wohl alle, wenn auch unterschiedlich nuanciert, einig: im Gegensatz zu allen vorherigen Generationen geht man davon aus, dass es der heutigen vermutlich nicht besser gehen wird als ihrer Elterngeneration. Diese – von denen die sehr jungen Eltern als die Generation X bezeichnet werden -, kennzeichnet, dass sie als erste Eltern nicht mehr darauf bauen, dass es ihre Kinder mal besser haben werden als sie selbst, sondern lediglich inständig hoffen, dass sie zumindest den Status quo halten können und es ihnen nicht mal weitaus schlechter gehen wird. Das erste Mal geht eine junge Generation ins Rennen, die sich mit Zukunftsängsten herumschlägt, die ihre Eltern nicht hatten, trotz des Wohlstands, in den sie hineingeboren sind. Sie sieht sich einer Welt gegenüber, dessen Geschicke sie nicht mehr in der Hand hat, sondern die bereits von ihren Eltern und Großeltern in eine Richtung geschoben wurde, die, betrachtet man das Artensterben und den Klimawandel, zum großen Teil unumkehrbar ist. Aber auch die geopolitische und ökonomische Situation wird von vielen jungen Menschen als „Schicksal“, empfunden. Ich höre viele Jugendliche, die sagen: „Ja, wie sollen wir denn wohl diese Lage ändern?“ Die Generation „Z“ und „Y“ hat, meiner Beobachtung nach, keine positive Zukunftsvision, die ihnen realistisch erreichbar erscheint. Wenn sie kämpfen, kämpfen sie gegen, aber nicht für. Kaum einer der jungen Menschen hat eine Idee davon, was man tun müsste, um es besser zu machen. Die meisten Erwachsenen allerdings auch nicht.

Drei Strömungen in der Generation XY

Diese Ausgangslage hat meiner Meinung nach zu drei wesentlichen Strömungen unter den jungen Menschen geführt: Es gibt das Lager der verzweifelten Aktivistin, dann die Blase der in virtuelle Welten Flüchtender und letztendlich derer, die versuchen, trotz pessimistischer Zukunftsaussicht irgendwie Schritt zu halten und dabei an und über ihre Grenzen kommen.

Aus der Generation „YZ“ stammt die – medial am eindrucksvollsten agierenden – „letzte Generation“. Diese machen gerade Schlagzeilen, weil sie sich auf der Straße festkleben, um mit radikalem Protest darauf hinzuweisen, dass sie eben nicht die letzte Generation sein möchten. Die Occupy-Aktivistenbewegung geht in dieselbe Richtung und vermischt sich. Ihr kann man auch ältere Semester zurechnen als nur die aus der Generation „YZ“: viel „X“ ist auch unter ihren Reihen. Sie zeichnen sich in jedem Fall durch eine radikale Form des Protestes aus und einem oft gesetzesüberschreitenden Aktivismus.

Die Generation „Fridays-for-future“ haben gleiche Anliegen wie die „letzte Generation“, denn auch sie fürchten, die letzte oder vielleicht vorletzte sein zu können, aber greifen für ihre Proteste zu weniger strafverdächtigen Mitteln. Diese Generation wird in die Geschichte eingehen, vorausgesetzt, die „letzte Generation“ behält mit ihren Ängsten nicht Recht und es wird rückblickend keine Geschichtsschreibung über die 2020er Jahre mehr geben.

Es gibt neben dieser „Generation verzweifelter Aktivisten“ aber auch noch zwei weitere Generationsströmungen.  Die einen sind eben jene, die völlig in einer Blase aus social media- und Spielsucht gefangen sind, die Augen vor allem verschließen, was in der Welt passiert und sich offenbar für nichts mehr interessieren außer für ihre Selbstdarstellung, entweder als photogeshoppte Supermodels auf Instagram, tictoc und snapchat oder als Superkriegshelden in „fortnite“ und „Game of thrones“. Sie denken nicht an die Zukunft, nicht mal an den nächsten Tag. Zumindest nicht bewusst. Aber etwas muss sie in diese Blase hineintreiben. Auch über sie wird in den Medien viel berichtet, vor allem von sorgenvollen Pädagogen und Soziologen. Ihre Motive mögen eine Synergie aus dem sein, was sie zur Generation „Z“ und „Y“ macht und dem, was die „letzte Generation“ und „Fridays for future“ bewegt, nur flüchten sie sich in Passivität, Süchte und Hedonismus.  

Ich möchte hier aber eine weitere Generationsströmung ansprechen, über die die Medien wenig berichten und die leise und fast gespenstisch neben den beiden anderen Generationsgruppen herläuft und nur Erwähnung in sozialwissenschaftlichen Abhandlungen und gehobeneren Presseartikeln findet.

Burnout Kids und mutlose Mädchen

Der bekannte Jugendpsychologe Michael Schulte-Markwort nennt sie burnout kids – erschöpfte Kinder und Jugendliche. Er hat dazu kürzlich ein Buch veröffentlicht, indem er von „Mutlosen Mädchen“ schreibt und einem neuen Phänomen, das man besser verstehen müsse. Professor Schulte-Markwort, so in einem Interview 2016, stand diesem Phänomen anfangs irritiert gegenüber, nachdem er mehr und mehr solcher jungen Patienten in seiner Praxis beobachtete. Er stellt fest, dass seine Arbeit als Psychologe sich sehr verändert habe und dass er die jungen Menschen, die in seine Praxis kommen, als „wunderbare Kinder“, sehr reflektiert, vernünftig, verantwortungsübernehmend empfinde.

Gleichzeitig sind sie wie getrieben und haben eine für junge Menschen ungewöhnliche Angst vor falschen Entscheidungen. Sie sind keine von sich überzeugte jugendliche Heißsporne, sondern eher wie verzweifelte gerade flügge gewordene Entenkinder in einem reißenden Strom, der sie pausenlos mitzureißen droht und in den sie nicht freiwillig gesprungen sind, sondern hineingestoßen wurden.  Und unter diesen gibt es zunehmend die, die so etwas wie ein „burnout“ entwickeln. Bei Mädchen beobachtet Prof. Schulte-Markwort eine besondere Form, die er als „Mutlosigkeit“ beschreibt, die sich von Depression oder „burnout“ unterscheide. Die Mädchen verfallen in eine innere Starre, möchten gar nicht mehr zur Schule, empfinden keine Freude mehr am Leben, sehen keinen Sinn.

Was die Generation Z vereint, ist die prägenden Zukunftsangst. Das „Z“ steht übrigens für „zero“, nicht für Zukunftsangst, so passend es wäre. Beunruhigend übrigens auch, dass es der letzte Buchstabe im Alphabet ist. Aber während die einen dadurch zu extremen Protestaktionen greifen, die anderen dagegen sich völlig in ihre Blase zurückziehen, Computerspielsüchte entwickeln oder in der Welt der social media leben, gibt es eben auch diese weitere Strömung von Kindern und Jugendlichen: Die unter der Last unserer Leistungsgesellschaft mit seiner schier unübersehbaren Masse an Angeboten, Erwartungen und Anforderungen so in die Knie gehen, dass sie entweder ein Burnout bekommen oder in ein Gefühl von Mutlosigkeit verfallen. Und von diesen wird meiner Meinung nach viel zu wenig geredet.

Der zeitgenössische Soziologe Hartmut Rosa hat das aktuelle Gefühl der Menschen mit einer „sich nach unten bewegenden Rolltreppe“ umschrieben: Man muss beständig nach oben gehen, um nicht unweigerlich mit der Rolltreppe nach unten zu fahren. Stehen bleiben oder langsamer werden ist zu keinem Moment erlaubt. Dabei geht es nicht einmal um den Versuch, höher zu kommen, sondern einfach nur darum, den Status quo zu halten, sich also an der gleichen Stelle auf der Rolltreppe zu halten. Prof. Schulte-Markwort sagt, die Kinder lernen, dass Stillstand Rückstand ist und dass es Stillstand nicht geben darf – nicht in der Wirtschaft, in der das Credo der Wachstum ist, nicht im privaten. Es gibt kein good-enough mehr für Kinder.

Um in dem Bild der Rolltreppe zu bleiben: Mutlose Mädchen haben einfach die Augen geschlossen und lassen sich willen- und regungslos auf dieser Rolltreppe nach unten transportieren. In einem dumpfen Gefühl der tiefen Ohnmacht in Bezug auf ihr Leben, ist es ihnen egal geworden, wo die Rolltreppe sie hinbringt.

Eine vereinzelte Hundehütte im Großbrand löschen

Diesen jungen Menschen psychologisch zur Seite zu stehen, ist der Versuch, bei einer in Flammen stehenden Mega-City nur eine Hundehütte zu löschen. Das Entscheidende wäre eigentlich, eine Gesellschaft zu schaffen, die keiner der drei Strömungen in der Generation Y und Z hervorbringen würde. Aber auch wir Erwachsenen stehen auf dieser Rolltreppe, laufen und rennen, versuchen, uns auf dem aktuellen Stand zu halten und in so einem Zustand kann man keine substanziellen Veränderungen herbeiführen. Auch nicht die Politiker übrigens, die ebenfalls auf dieser Rolltreppe Schritt halten müssen.

Auch ich fühle mich wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor der Schlange und frage mich: wo wird uns diese unweigerlich scheinende Abwärtsspirale hinbringen? Was kann ich, eine der Letzten der Generation „Baby Boomer“, tun? Ich schreibe darüber, als wüsste ich es, aber tatsächlich ich weiß es nicht. Ich hoffe und versuche, nicht die Augen zu schließen und meinen eigenen Kindern Resilienz, Mut und die Kraft der Visionen mitzugeben. Auf die Generation XYZ kommen gewaltige Aufgaben zu und wir alten 1955-1969 Geborenen müssen ihnen dabei den bestmöglichen Weg ebnen – soviel haben wir schon verkorkst, gemeinsam mit der Kriegs- und Nachkriegsgeneration vor uns.

Und ich hoffe inständig, dass nach der Generation Z nicht wieder eine Kriegsgeneration kommt und der Kreislauf der Generationen der Moderne und Postmoderne nicht von vorn losgeht.

Quellen und Tipps:

Bildungsgespräch mit Prof. Michael Schulte-Markwort, von 2016, aber aktueller denn je. Schulte-Markwort redet über Seiten von jungen Leuten, die angenehm in eine andere Richtung geht als all‘ die Artikel und Interviews, die diese ach-so-schreckliche Digital-Jugend anklagen. Er zeichnet ein ganz anderes Bild der heutigen jungen Menschen.

Soziologe Hartmut Rosa – Jung & Naiv: Folge 611

Lanz & Precht über die Jugend von heute, vom 5.08.22

Nachtrag zu den Lesetipps: am 25.12.22. also drei Tage nach meinem Post, kamen im Tagesspiegel folgende Artikel heraus (draufklicken lohnt sich leider nur für die, die ein Abo haben):

Was junge Frauen aus der Bahn wirft : „Sie lockt nichts mehr in die Welt. Sie bleiben völlig starr zurück“

Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort stellt bei heranwachsenden Frauen eine bislang unbekannte Störung fest. Sie wirken mutlos und ziehen sich von der Welt zurück. Ein Interview.

Am gleichen Tag kam im Tagesspiegel ein weiterer interessante Artikel zum Thema Generation Z: Tagesspiegel Plus Trend „Quiet Quitting“: Will die junge Generation überhaupt noch arbeiten? Spoiler: Nein, die Autoren ( Klaus Hurrelmann, Sozialwissenschaftler und Simon Schnetzer, Volkswirt und Jugendforscher) kommen eben genau nicht zu dieser Behauptung, sondern sehen dieses Phänomen unter den jungen Menschen, mehr auf work-life-balance zu achten, eben genau in der Tatsache, dass sie die Zukunft als sorgenbesetzt ansehen und sie nicht mehr sicher sind, ob ein Hinarbeiten auf lange, entfernte Ziele sich überhaupt noch lohnt. Sie zitieren eine Studie, die auch meine These unterstützt. Zitat aus dem Artikel:

Die Trendstudie erkundet die Gründe für diese Einschätzung: Die jungen Menschen geben zu Protokoll, sie hätten in den vergangenen, von der Pandemie geprägten Jahren, das Gefühl, die beste Zeit des Lebens verpasst zu haben. Wenn sie in die Zukunft schauen, sehen sie Dauerkrisen und eine von Unsicherheit geprägte Situation – nicht nur durch die Corona-Pandemie, sondern auch durch die Klimakrise, die Kriegsangst und die Inflation.
Balance zwischen Arbeit und Privatleben
: Es ist ungewiss für sie, ob es sich lohnt, für Langzeitziele hart zu arbeiten. Die Zukunft erscheint unberechenbar. Deswegen soll die Balance zwischen Arbeit und Privatleben inklusive Freizeit stimmen. Viele der Befragten klagen über schwere mentale Belastungen und psychische Störungen bis hin zu Suizidgedanken.“

Der Artikel vermittelt aber auch aufmunterndes:

„Die Jungen wissen um ihre Markt-Macht
Die Jungen wissen, dass sie vieles fordern können, denn ihre Macht als Nachfragende am Arbeitsmarkt ist deutlich gewachsen. Weil die großen Babyboomer-Jahrgänge nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden, können sie ihre Haltung durchsetzen. Als Berufsanfänger definieren sie die Bedingungen, unter denen sie arbeiten wollen.“
Und das ist vielleicht die Botschaft, die man den jungen Menschen dringend mit auf den Weg geben muss, die das nicht verinnerlicht haben. Die beiden Autoren gehen davon aus, dass „die Angehörigen der jungen Generation mit einer intuitiv fest verankerten Burn-out-Sperre leben“. Ob ich dem so unbegrenzt Recht geben würde, bin ich nicht sicher.

In jedem Fall ein lesenswerter Artikel.

Freundschaft plus als Zeichen für Bindungsängste?

(pexels.com)

Friends with benefits“ scheint gerade bei jungen Menschen das neue Modell der Wahl

Freundschaft plus, F+ oder auch „friends with benefits“ wird zu einem immer beliebteren Beziehungsmodell unter jungen Menschen und schwappt inzwischen auch zunehmend in die Köpfe der älteren unter den sich auf dem Dating-Markt tummelnden Beziehungs(un)willigen.

„Lass uns Freunde bleiben, aber ab- und zu Sex miteinander haben“, lautet dann die Grundformulierung. Zwei wesentliche Gründe stecken dahinter: Einerseits hofft man, das Beziehungsgebilde würde dadurch unkomplizierter und andererseits möchte man sich damit seine Freiheit erhalten: Freiheit, andere Liebesabenteuer zu haben, Freiheit bei seinen Plänen keinen Beziehungspartner berücksichtigen zu müssen, Freisein von verstrickenden Gefühlen, die einen an den anderen binden. Genau die Freiheit bzw. das Fehlen von Verliebtheit soll die F+ auch unkomplizierter machen, obwohl auch sie nicht ohne klare Regeln auskommt: Keine Treue erwarten, keine Versprechungen und Verpflichtungen, die die Friendzone verlassen würden, konsequenterweise auch keine gemeinsamen Zukunftspläne. Jeder macht weiter sein Ding, ungeachtet des anderen. Eine klare Kommunikation braucht die F+ aber natürlich genauso wie die feste Beziehung. Streng genommen ist sie in jedem sozialen Miteinander nötig, so eben auch hier.

Alles entspannt also?

Die positiven Seiten liegen erst einmal auf der Hand: Ohne Treueversprechen und ohne Verliebtheit keine Eifersüchteleien, die sonst so oft Liebesbeziehung strapazieren und öfter auch zum schmerzhaften Ende führen. Beide genießen ihre Freiheit als Single, aber müssen deswegen nicht auf Sex mit einer vertrauten Person verzichten, und bekommen diesen ohne Erwartungsdruck, oft entspannter und ohne dass sich einer dazu verpflichtet fühlt. Routine schleicht sich zwischen Friends with benefits auch nicht so schnell ein. Es gibt keine Streitereien darüber, wo man gemeinsam den Urlaub verbringt, wie man die gemeinsame Wohnung einrichtet, und dass der andere schon wieder seine Klamotten im Wohnzimmer herumliegen gelassen hat. Keine Missverständnisse mehr über vermeintlichen Liebesentzug oder im Gegenteil erwürgendes Klammern. Trotzdem ist immer einer da, mit dem man nicht nur körperlich vertraut zusammenkommt, sondern der auch zuhört, mit dem man etwas unternehmen kann, mit dem man lacht und weint, wie man das eben unter Freunden tut. Man genießt alle Vorteile einer Liebesbeziehung, aber eliminiert die negativen.

Wirklich? 

Gefühle lassen sich nicht steuern. Wenn man körperlich Lust aufeinander verspürt, ist da offenbar per se schon mal mehr als nur platonische Freundschaft. Die Gradwanderung zwischen Freundschaft und einer Liebesbeziehung ist schmal. Sollte man dennoch gemeinsam in den Urlaub fahren, auch wenn man keine feste Beziehung hat? Sollte man sich nicht doch eine gemeinsame Wohnung in Form einer WG nehmen, das ist ja viel billiger und praktischer? Und ist der andere nicht doch verletzt, wenn man heute aber keine Lust auf Sex mit ihm hat? Und wie fühlt man sich, wenn der eine einem irgendwann sagt: „Du, ich möchte das Plus aus unserer F+ rausstreichen, ich habe mich in jemand anderen verliebt und mit dem möchte ich jetzt eine feste Beziehung.“ Steckt man das dann einfach weg? Und bedeutet das nicht unter Umständen auch das Ende nicht nur des Plus‘, sondern auch der Freundschaft? Und wenn man dann doch eifersüchtig ist, wenn der andere mit auf der Party wild herumflirtet, während man eigentlich gern nach der Party noch auf einen Sprung mit zu ihm gekommen wäre? Hat man dann ein schlechtes Gewissen, weil Eifersucht ja eigentlich ein Tabu in der F+ ist und kämpft mit Liebeskummer, den man nicht mal nach außen zugeben kann?

Verbirgt das Ablehnen einer festen Beziehung und das Etablieren einer Freundschaft Plus nicht vielleicht nur eine grundsätzliche Beziehungsunfähigkeit, die ja einige Psychologen bei der jungen Generation bereits festzustellen glauben? Verpassen junge Leute es so eventuell, feste Beziehungsmuster zu trainieren, ehe sie sich dann irgendwann endgültig für jemanden entscheiden möchten, mit dem sie dann vielleicht auch eine Familie gründen wollen. Sicher ist das aber nicht, denn auch Freundschaft trainieren ist ein wichtiger Grundpfeiler für eine gut funktionierende Liebesbeziehung. Und bei einer F+ geht die Freundschaft unter Umständen durch ein hartes Training.

Wie auch immer man zur friendship mit benefits steht: Es ist zwar ein anderes Modell der Beziehungsführung, aber wirklich unkomplizierter ist es in den meisten Fällen sicher nicht. Und langlebiger vielleicht auch nicht. Eine US-Studie soll belegt haben, dass F+ Beziehungen nicht langfristig funktionieren könnten. Ob eine Studie das wirklich belegen kann, angesichts der Fülle der auch kulturell bedingten Faktoren, der so eine Beziehung unterliegt, kann man in Frage stellen. Manch‘ eine Freundschaft plus soll ja auch mal in einer festen Liebesbeziehung geendet sein.

(Schönste Story dazu: Harry und Sally. Die Kinokomödie habe ich vor über dreißig Jahren gesehen, da war F+ noch gar nicht à la page. Vielleicht ist es doch nicht so eine neumodische Form, wie man glaubt?).

Ein letzter Gedanke, auch in Hinblick auf die oben erwähnte Studie: Denkbar wäre, dass jungen Menschen etwas einfacher gelänge, was ihre getrennten und wieder suchenden Mütter oder Väter nicht hinbekommen, weil die ältere Generation eher wieder in die konservativen, ursprünglich erlernten Beziehungsmuster zurückfällt, während jungen Menschen sich früh in der „modernen Beziehungsform“ der F+ trainieren und das zu ihrem Muster machen. Und Beziehungen sind ja so vielfältig wie die Menschen selbst und jede Zeit hat ihre bevorzugte Beziehungsform gehabt. Nur eins haben wohl alle Beziehungsformen, egal zu welcher Zeit, alle gemein: Einfach waren und sind sie nie, weil eben soziale Verbindungen zwischen Menschen immer komplex sind. Gott sei Dank. Wie langweilig wäre sonst das Leben?

Ein Artikel in der Women’s health online zitiert eine Studie folgendermaßen: Denjenigen, die ihre Beziehung in eine Freundschaft ohne Sex umwandeln wollten, gelang dies auch (59 Prozent). Die Paare, die eine feste Beziehung aufbauen wollten, schafften das in viel geringerer Zahl (15 Prozent). Bei der Mehrheit der Befragten (31 Prozent) war das Verhältnis aber komplett zerbrochen, inklusive der Freundschaft. In einer anderen Studie bewerteten nur 38 Prozent ihre Freundschaft plus als positive Erfahrung, 40 Prozent sagten, sie würden sich nie wieder darauf einlassen. („Sex unter Freunden: So endet ‚Friends with benefits‘ meist“, von Elina Wiesner, 04.04.2022 https://www.womenshealth.de/love/beziehungsprobleme/so-endet-freundschaft-plus-in-den-meisten-faellen/

Originalquelle der o.g. Studie: A longitudinal study of friends with benefits relationships, Laura V. Machia, Morgan L. Proulx, Michael Ioerger, Justin J. Lehmiller, First published: 20 February 2020 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/pere.12307

Fediverse – ein besseres Social Media Universum?

Geschwister-Chat um halb sechs Sonntagmorgen

Offenbar leiden sowohl mein Bruder als auch ich an seniler Bettflucht, jeweils bei sich zuhause wach im Bett mit einem digitalen Endgerät, und das um fünf Uhr morgens am Sonntag. Mein Bruder in seinen Laken umgeben von Hunden und seiner Ehefrau, ich von Büchern – für meinen Hund ist das Bett glücklicherweise zu hoch, er würde hier auch nur weiteres Chaos anrichten… meins reicht mir völlig.

Mein Schreibplatz am Sonntag, fünf Uhr in der Früh

Der ältere meiner Brüder der hat eine Instanz für Fediverse eingerichtet und die Nachricht über Signal gestern Abend an alle Familienmitglieder verschickt.

Was zum Teufel ist Fediverse? Ich bemühe erstmal wikipedia:

„Fediverse (ein Kofferwort aus „federation“ und „universe“) oder Fediversum bezeichnet ein Netzwerk föderierter, voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke, Mikroblogging-Dienste und Webseiten für Online-Publikation oder Daten-Hosting. Das Konzept kam 2008 mit GNU Social auf und verbreitete sich 2016 vermehrt mit Mastodon und dem 2018 vom World Wide Web Consortium (W3C) definierten Kommunikationsprotokoll ActivityPub.

Die Idee des „Fediverse“ ist, dass es möglich sein soll, ein Benutzerkonto auf einer beliebigen Plattform im Fediverse anzulegen und sich darüber mit Nutzern auf allen anderen Plattformen austauschen zu können, ohne dort ein weiteres Konto anlegen zu müssen. Ermöglicht wird das dadurch, dass die einzelnen Plattformen mittels bestimmter Kommunikationsprotokolle miteinander verbunden sind und so die föderierte Identität und Inhalte jeweils auf andere verbundene Plattformen und Instanzen verteilt werden. Diese Praxis steht im Gegensatz zu geschlossenen sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook, bei denen Benutzer ein eigenes Benutzerkonto in jedem der Netzwerke benötigen, wenn sie mit anderen Nutzern des jeweiligen Netzwerks interagieren möchten.“

Bringt mich jetzt erstmal nur bedingt weiter. Aber mein Bruderherz hat auch einen Link zu einem ausführlichen Blogeintrag eines IT-Spezialisten beigefügt: Kuketz-IT-Security, den ich mir dann tatsächlich in Herrgottsfrühe am Sonntagmorgen reinziehe. Es bleibt eine Unmenge weiterer Fragen offen und ein lebhafter Chat unter Geschwistern beginnt, in dessen Folge ich Administrator der von meinem Bruder eingerichteten neuen Fediversum-Instanz werde. Wir versuchen gemeinsam die Funktionen zu verstehen – mein Bruder hat noch nie auf Social Media Plattformen wie Instagramm, Twitter oder facebook gepostet und muss sich selbst erst zurechtfinden. Als selbsterklärend erweist sich die Plattform Mastodon, ähnlich Twitter, auf der wir uns als erstes erproben, nicht. Es geht schon los mit einem ganz neuen Vokabular: „Instanzen“ sind die eigenen Server, die jeder einrichten kann, wenn er denn das technische know-how hat. „Toot“ sind Nachrichten. „Tröten“ ist der Parallelbegriff für „twittern“ und so heißt der Button für Absenden auch „tröt“ (englisch eben toot). Der öffentliche Bereich ist die „Föderation“ oder auf Englisch „federation“. Man verlinkt bzw. vernetzt sich nicht, man federiert… da schwirrt einem gleich in der ersten Stunde der Kopf, erst recht am frühen Morgen.

Fediverse ist zwar offenbar als löbliche Kampf gegen die GAFAs[1] und den Handel mit Daten und der Einflussnahme rein unter Gesichtspunkten höchster finanzieller Einnahmen zu verstehen, aber wer von den Millionen Usern der GAFAs wird sich mit diesem komplexen Netzwerk-system auseinandersetzen? Meine Tochter, leidenschaftliche Nutzerin von Insta und snapchat sicher nicht – nicht mal mein Sohn, der die GAFAs als Gefahr für die modernen Medienlandschaft erkannt hat. Gerade bei den Jugendlichen wird es schwer an den Mann zu bringen sein.

Unterstützt wird das ganze „Projekt“ in jedem Fall von den Datenschützern, den Ministerien und der EU. Ebenso scheinen sich inzwischen einige Journalisten dort zu tummeln, die es nutzen, dass ihre Beiträge nicht von Algorithmen gefiltert werden, sondern einfach zeitlich nacheinander erscheinen (auf Fediverse demnach auch „Zeitschiene“ genannt).

Und immerhin hat sich ja zumindest Signal und Telegram auch gegen Whatsapp ein wenig durchgesetzt. Nun sind Signal und Telegram natürlich auch wieder nicht europäisch, sondern amerikanisch bzw. russisch (was für eine brisante Kombi, beides parallel zu nutzen). Offenbar schaffen wir es einfach nicht, selbst was Funktionierendes und Akzeptiertes auf die Beine zu stellen. Der Versuch mit dem schweizerischen Threema hat sich offenbar als eben zu kompliziert und mit dann wieder zu vielen Sicherheitstüren als wenig benutzerfreundlich erwiesen und ist irgendwie in der Versenkung verschwunden. Aber dennoch sind die Messanger-Dienste wenigstens nicht Teil der GAFAs und gehen anders mit unseren Daten um.

Ich denke, jeder Ansatz, den GAFAs ein wenig Einhalt zu gebieten, sollte wahrgenommen werden. Vielleicht versickert auch Fediversi wieder in der Versenkung, nachdem der Kauf von Twitter durch Elon Musk dem seit 2008 erfundenen und 2018 neu vom W3C definierten Kommunikationsprotokoll, was die Plattformen untereinander besser kompatibel machen soll, dem Ganzen vielleicht einen neuen Aufschwung gegeben hat. Und bei den vielen Angeboten und Möglichkeiten hat es ja vielleicht doch eine Chance, sich durchzusetzen.

Einen Versuch ist es allemal wert.

Eine kurze Zusammenfassung zu einer der Plattformen, Mastodon, die Twitter-Konkurrenz -> Tröten statt Zwitschern: Mastodon – das bessere Twitter?, vom 28.10.22.

Wer nicht lesen will, muss hören: Hier ein Podcast, der wirklich sehr gut und umfassend über Fediverse berichtet.

Alles über das Fediverse #komprimiert, vom 7. Mai 2022 https://besser.demkontinuum.de/

Auf der Seite, unter der Audio findet ihr ganz viele Links und Hinweise dazu: Listen von seriösen Instanzen, wo ihr euch eine Adresse einrichten könnt, Listen von den einzelnen angebotenen Plattformen und vieles mehr.

Jedem, der mit Fediverse anfangen möchte, empfehle ich diesen Podcast zur Einführung wärmstens!!

Einen Vergleich von den beiden Podcastern fand ich sehr hilfreich, um das System mit der Adresse zu kapieren: Die Adresse ist wie eine Telefonnummer. Ich bin bei einem Anbieter, aber mit meiner Telefonnummer kann ich jeden anderen anrufen, auch wenn der bei einem anderen Anbieter ist. Anbieter ist in dem Fall die Plattform, nicht die Instanz/der Server.

Und wer dann soweit ist, findet mich dann im Federations-Universum unter jannae(at)sozialer.irrpfad.de 😊.

PS: Meinen Instagram-Account gibt es aber weiterhin unter jannaenadius. Noch.


[1] . GAFAs : Inzwischen sicher jedem ein Begriff. Das Wort GAFA ist die Abkürzung für Google, Apple, Facebook und Amazon und wurde von der Europäischen Union eingeführt und gilt als Mahnung vor der Macht, die diese großen Unternehmen haben. Dabei geht es vor allen Dingen um den finanziellen Einfluss.

Autoren-Homepage & Blog

(Direkt zum aktuellsten Blog-post vom 22.12.22: -> Die Generation der Generationen YZ)

Nomen est omen (Leseprobe)

Es roch nach verbranntem Toast. Lena drehte sich verwirrt um. War sie so übermüdet, dass sie sich nicht mehr erinnerte, dass sie eine Scheibe Brot in den Toaster gesteckt hat, nachdem sie in die Küche geschlurft gekommen war? Sie ging zum Toaster. Der war leer. Sie öffnete den Brotkasten. Auch da gähnende Leere. Sie schüttelte unwillig den Kopf und begann theatralisch schnüffelnd durch die Küche zu laufen wie ein Hund, der auf der Spur eines geflüchteten Kaninchens war. Ihre Nase brachte sie zum geöffneten Fenster. Sie schaute die vier Etagen am Hochhaus herunter. Der Geruch kam von draußen, aus einem der unteren Stockwerke. Sehen konnte sie nichts, auch keinen Rauch. Nur dieser starke Geruch einer inzwischen garantiert komplett verkohlten Brotscheibe zog ihr in die Nase.
“Fuck! Erst keinen Kaffee mehr da und jetzt noch verbranntes Toast! Scheiß-Morgen!”, hörte sie eine extrem verärgerte Stimme. Lena grinste. Aha, das war der Nachbar aus dem zweiten Stock. Sie schnappte sich die Dose mit ihrem Kaffeepulver, flitzte durch den Flur, blieb kurz am Spiegel stehen, prüfte die Ringe unter ihren Augen, gegen die sie jetzt leider so schnell nichts machen konnte und sauste auf Socken und im schlabbrigen T-Shirt die Treppe runter. Als sie vor seiner Tür stand, hielt sie einen Moment inne, während ihr Finger bereits wenige Zentimeter über dem Klingelknopf schwebte, unter dem auf einem sich fast ablösenden provisorischen Klebezettel: “Jakob Mehlwurm” gekritzelt stand. Eines dieser Provisorien, die dann offenbar doch eine Ewigkeit halten mussten, denn Jakob Mehlwurm war schon vor über einem Jahr hier eingezogen und hatte offenbar noch immer kein anständiges Türschild. Lena musste sich ein Lachen verkneifen. Wie sollte man jemanden ernst nehmen, der so hieß? Nomen est omen. Wie findet man eine angesehene Arbeitsstelle, wenn man seinen Lebenslauf mit so einem Namen einreichte? Aber Jacob Mehlwurm musste einen ganz passablen Job haben, außer, er hatte sein ganzes Jahresgehalt einzig in einen niegelnagelneuen Tesla investiert und lebte sonst arm wie eine Kirchenmaus. Bei Männern war alles möglich.
Sie klingelte, zaghafter, als es ihrem rasanten Treppenhüpfen entsprach. Sie hörte energische Schritte, die die ganze männliche Wut über den fehlenden Kaffee und das verbrannte Toast wiederspiegelten. Er rieß die Tür auf. “Ja?!”. Lena hielt ihm die Dose mit Kaffeepulver hin, fast wie ein Schutzschild zwischen ihn und sich, am Liebsten hätte sie noch die Schultern eingezogen. “Hä, was soll das?” Mit etwas unhöflichen Blick starrte er sie an und Lena war einen Moment versucht, einfach wieder umzudrehen. Sollte eine emanzipierte, selbstbewusste Frau sich so einen Ton gefallen lassen? Vielleicht war Jakob Mehlwurm doch nicht so toll, wie sie immer den Eindruck hatte, wenn er ihr unten im Hausflur begegnete und sie nett und charmant anstrahlte?
“Äh, Kaffeepulver?”, murmelte Lena plötzlich eingeschüchtert. Es brauchte eine Weile, man konnte es förmlich rattern hören in Jakob Mehlwurms Kopf. Dann ging plötzlich ein breites Grinsen über sein Gesicht, begleitet von einem taxierenden Blick auf Lena, einmal hoch und runter und wieder zurück. Sie fühlte sich unwohl. Sie war gerade erst aus dem Bett gekommen, hatte eine dünne Legging und ein T-Shirt in Übergröße an, ihre Füße stecken in Stoppersocken mit Sternchenmuster. Ihre halblangen, zum Teil ergrauten Haare wuselten sich offen um ihr feines Gesicht, das bereits mit vielen kleinen Falten um Augen und Mund durchzogen war. Mit Ende Vierzig krabbelte man morgens nicht mehr wie der junge Frühling aus dem durchgeschwitzten Bett. Aber auch Jakob Mehlwurm sah um diese frühe Morgenstunde nicht aus wie der tatkräftige junge Held mit Schwert und Schild, bereit für die mutige Drachenjagd. Er musste wenigstens Anfang fünfzig sein, der fehlende Kaffee als Muntermacher stand ihm im zerknitterten Gesicht geschrieben. Lena entschuldigte damit seine schlechte Laune, sonst wäre sie wohl doch umgedreht.
“Hey, wie denn das jetzt? Wie weißt du denn, woher…? Na, egal, komm’ rein, ja, mir ist tatsächlich der Kaffee ausgegangen. Und ohne Kaffee bin ich morgens nur ein halber Mensch.” Jakob wurde wieder charmant. Ob er sie im Schlabber T-shirt und Sternchenstoppersocken trotzdem attraktiv fand, oder er so nach Kaffee gierte, dass ihm die Überbringerin desselben wurscht war, konnte Lena nicht ausmachen.
“Und ich ohne Toast. Hast du noch ein unverbranntes?”, log Lena, die morgens selten etwas aß. Erstaunt sah er sie an, fragte aber nicht weiter nach.
“Joah, noch eine ganze Packung, muss nur noch die verkohlten Krümel aus dem Toaster holen.”
“Ja, bitte, sonst stinkt meine ganze Küche danach,” lachte Lena und Jakob sah sie wieder verwundert an. Aber wer verstand schon Frauen, dachte er.

(Leseprobe Ende)

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Jannae

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Das Gegenteil von gut ist gut gemeint (Essay)

Ein grundsätzlich fehlerhaftes System wird nicht über das Drehen an kleinen Stellschrauben weniger fehlerhaft.

(Ein Essay) Wieso wird in Deutschland aus so vielen Gesetzen, die aussehen wie eine Reform und eine Verbesserung, so oft ein de facto-Rückschritt?
In Deutschland ist nun ab 2022 endlich das Kükenschreddern verboten. Endlich! Die Tiere werden nicht mehr bei lebendigem Leib in einen Fleischwolf geworfen.
Und nun? Wie so oft hat keiner das Ganze zu Ende gedacht, als Letzter der Gesetzgeber. Jetzt sitzen die männlichen Hühner, die das Kükenalter dank Gesetz überlebt haben, drei Monate auf 0,056 m2, während ihre Schwestern wenigstens 0,075 zur Verfügung haben. Oft sind sie als Küken durch halb Europa gekarrt worden, um in Polen, den Niederlanden, Österreich oder Ungarn aufgezogen zu werden, weil es in Deutschland nicht genug Ställe gibt. Das vorm Schredder gerettet Küken wird zum Klimakiller. Außerdem bekommt es u.U. Soja aus Lateinamerika gefüttert. Wahlweise Tiermehl – ja, das Zeug, was im Zuge der BSE Krise 2001 verboten wurde, darf jetzt wieder eingesetzt werden, in der Schweinemast und der Geflügelzucht. Nein, wir lernen nicht. Aber das wissen wir ja spätestens seit der Coronakrise.
Zurück zum Hühnchen: Am Ende des kurzen Lebens wird es dann zu Frikasse oder Geflügelwürstchen, denn für was anderes ist das “minderwertige Fleisch” nicht zu gebrauchen, nicht als Brathähnchen, nicht als Filetstücke.
Zwischenfazit: was bringt es dem männlichen Küken, das es nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen bei lebendigen Leibe geschreddert werden darf? Ein qualvolles Leben von 3 Monaten, auf engstem Raum, mit langen Transportwegen, schlechtem Futter und nur unwesentlich besseren Schlachtbedingungen als dem Fleischwolf.

Irgendwie geht das in der Logik in Richtung der Blühstreifen: erst deckt der Landwirt mit Hilfe von EU-Öko-Förderung den Insekten auf schönen Blühstreifen am Feldrand einen reichhaltigen Tisch, und wenn dann 30°C Grad herrschen und es ordentlich trocken ist, mäht er alles ab, sobald die gesetzliche Frist es ihm erlaubt – das ist spätestens in den Sommermonaten. Nichts überlebt, weder dort angesiedelte Arthropoden und ihre eventuell abgelegten Eigelege, noch eine Futterpflanze für die Tiere aus der Umgebung, seien es Insekten, Vögel oder Nager. Reptilien gibt es in unserem Grünland ja schon lange nicht mehr. Die wurden schon mit Einführung der Hand-Mähgerätes in den 20er Jahren nach und nach ausgerottet.

Und wenn man sich mal eingehender damit beschäftigen würde, fände man sicher noch eine Menge anderer solcher perverser Beispiele von Gesetzesreformen, die den erstrebten Zweck komplett ad absurdum führen. Das wirft die alte Frage von Max Weber nach dem Unterschied von Gesinnungs- und Verantwortungsethik auf, wenn gut gemeinte Gesetze es am Ende noch schlimmer machen, weil nicht zu Ende gedacht wurde. Welcher Ethik sollte ein Gesetz gerecht werden?

Vermutlich könnte man daraus ein Buch machen…

Übrigens, nebenbei bei meiner Recherche habe ich mit Erstaunen gelesen, dass Eier oft in Veggie-Produkten zum Einsatz kommen: Vegetarismus fördert bei Unachtsamkeit des  Konsumenten perverserweise also die Qual von Legehennen und indirekt ihrer Brüder. Und wenn das Ei im Veggie-Burger aus dem Ausland kam, dann wurden dafür auch Hähnchen geschreddert.
Ein Vegetarier, der es mit seinen Werten ernst meint, sieht also beim Kauf seiner Veggie-Produkte akribisch auf die Zutatenliste. Sonst wird auch jeder Verzicht auf Fleisch zum Wohle der Tiere ad absurdum geführt. Ei – in Veggieprodukten oft als Eipulver versteckt – sollte ein Vegetarier nur essen, wenn er weiß, wo es herkommt und unter welchen Bedingungen die Henne und seine Brüder gehalten wurden, sonst macht Vegetarismus aus moralischen Gründen wenig Sinn. Dann verhält er sich nicht besser als der deutsche Gesetzgeber mit seinen im Ergebnis absurden Gesetzen.

Vielleicht liegt es in der Natur der Sache: Wenn das ganze System krankt, macht man es mit kleinen Aktionen nicht unbedingt besser. Wenn wir eine Massentierhaltung haben, die nur ökonomischen Gesichtspunkten gehorcht, erreicht man mit dem Verbot von Kükenschreddern nichts. Wenn die konventionelle Landwirtschaft durch absurde GAP-Subventionen fern von ökologischen Notwendigkeiten agiert, dann retten auch keine  EU-finanzierten Blühstreifen.

Fazit: Ein marodes System wird nicht über kleine Stellschrauben weniger marode.

Inspiriert zum Thema und mich von da ausgehend weiter zum Recherchieren bewogen hat mich folgender Artikel:

rbb24: Mo 20.06.22 | 05:45 Uhr | Von Ute Barthel und Susett Kleine

Eier ohne Kükentöten: Ein wirklicher Fortschritt im Tierschutz?

-> Zur Nabu-Kritik der „hochkomplizierten, bürokratischen und ineffizienten Fördersystem der „Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ – kurz GAP“

(Foto: Pixabay)

 

 

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