Autor: admin

Die heutige Generation der Generationen YZ

Burnout Kids und mutlose Mädchen

Foto: Yaroslav Shuraev (pexels.com)

Keine Generation ist wie die vorherige. Seit Beginn der Moderne charakterisiert sich jede Generation unterschiedlich zu der ihrer Eltern. Mit zunehmender Komplexität der Gesellschaften steigt auch der Facettenreichtum der jeweiligen Jugendgeneration. Mir erscheint, dass man bisher eine gewisse Homogenität der einzelnen Generationen beobachten konnte. Seit dem Eintritt in die digitale Revolution fällt mir jedoch ein Phänomen der mehrfachen Aufspaltung auf: es gibt heute nicht mehr „die eine“ junge Generation, sondern ich beobachte mehrere Generationen nebeneinander, die sich überlappen können, aber in vielem auch auseinanderklaffen und zum Teil diametral entgegenlaufen. „Die“ eine junge Generation scheint es so nicht mehr zu geben, sondern mehrere, zum Teil widersprüchliche. Und diese Generationen sind gefühlt auch vom Intervall her kürzer. Inzwischen spürt man schon einen Generationssprung zwischen der 6. und 9. Klasse, zwischen den Studienanfängern und den Studienabgängern, dem Azubi und dem Gesellen.

Generation YZ

Sie sind Teil der Generation „Z“, oder auch Post-Millennials genannt: Ihr werden überwiegend diejenigen zugerechnet, die zwischen 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind, aber je nach Autor wird auch ein Beginn zwischen 1990 und 2000 angenommen. Die vorhergehende Generation Y, die „digital natives“, geboren bis 2000, überschneiden sich mit ihnen und nicht immer erschließt sich einem die Trennung zwischen Y und Z. Das ist aber auch nicht entscheidend, denn dabei geht es nicht um die exakte Jahreszahl, sondern um das Charakteristikum, dass diese Generation von Anfang an mit den digitalen Medien aufgewachsen ist und vielleicht spricht man irgendwann auch zusammenfassend von den Generationen YZ. Ich werde diese Trennung hier deswegen auch nicht akribisch verfolgen.

Was diese Generation sonst noch so prägt, da gehen die Meinungen der Soziologen und Psychologen auseinander – je nachdem, welche der Strömung der Jugendlichen, die ich hier betrachten möchte, sie gerade beurteilen.

In einem sind sich aber wohl alle, wenn auch unterschiedlich nuanciert, einig: im Gegensatz zu allen vorherigen Generationen geht man davon aus, dass es der heutigen vermutlich nicht besser gehen wird als ihrer Elterngeneration. Diese – von denen die sehr jungen Eltern als die Generation X bezeichnet werden -, kennzeichnet, dass sie als erste Eltern nicht mehr darauf bauen, dass es ihre Kinder mal besser haben werden als sie selbst, sondern lediglich inständig hoffen, dass sie zumindest den Status quo halten können und es ihnen nicht mal weitaus schlechter gehen wird. Das erste Mal geht eine junge Generation ins Rennen, die sich mit Zukunftsängsten herumschlägt, die ihre Eltern nicht hatten, trotz des Wohlstands, in den sie hineingeboren sind. Sie sieht sich einer Welt gegenüber, dessen Geschicke sie nicht mehr in der Hand hat, sondern die bereits von ihren Eltern und Großeltern in eine Richtung geschoben wurde, die, betrachtet man das Artensterben und den Klimawandel, zum großen Teil unumkehrbar ist. Aber auch die geopolitische und ökonomische Situation wird von vielen jungen Menschen als „Schicksal“, empfunden. Ich höre viele Jugendliche, die sagen: „Ja, wie sollen wir denn wohl diese Lage ändern?“ Die Generation „Z“ und „Y“ hat, meiner Beobachtung nach, keine positive Zukunftsvision, die ihnen realistisch erreichbar erscheint. Wenn sie kämpfen, kämpfen sie gegen, aber nicht für. Kaum einer der jungen Menschen hat eine Idee davon, was man tun müsste, um es besser zu machen. Die meisten Erwachsenen allerdings auch nicht.

Drei Strömungen in der Generation XY

Diese Ausgangslage hat meiner Meinung nach zu drei wesentlichen Strömungen unter den jungen Menschen geführt: Es gibt das Lager der verzweifelten Aktivistin, dann die Blase der in virtuelle Welten Flüchtender und letztendlich derer, die versuchen, trotz pessimistischer Zukunftsaussicht irgendwie Schritt zu halten und dabei an und über ihre Grenzen kommen.

Aus der Generation „YZ“ stammt die – medial am eindrucksvollsten agierenden – „letzte Generation“. Diese machen gerade Schlagzeilen, weil sie sich auf der Straße festkleben, um mit radikalem Protest darauf hinzuweisen, dass sie eben nicht die letzte Generation sein möchten. Die Occupy-Aktivistenbewegung geht in dieselbe Richtung und vermischt sich. Ihr kann man auch ältere Semester zurechnen als nur die aus der Generation „YZ“: viel „X“ ist auch unter ihren Reihen. Sie zeichnen sich in jedem Fall durch eine radikale Form des Protestes aus und einem oft gesetzesüberschreitenden Aktivismus.

Die Generation „Fridays-for-future“ haben gleiche Anliegen wie die „letzte Generation“, denn auch sie fürchten, die letzte oder vielleicht vorletzte sein zu können, aber greifen für ihre Proteste zu weniger strafverdächtigen Mitteln. Diese Generation wird in die Geschichte eingehen, vorausgesetzt, die „letzte Generation“ behält mit ihren Ängsten nicht Recht und es wird rückblickend keine Geschichtsschreibung über die 2020er Jahre mehr geben.

Es gibt neben dieser „Generation verzweifelter Aktivisten“ aber auch noch zwei weitere Generationsströmungen.  Die einen sind eben jene, die völlig in einer Blase aus social media- und Spielsucht gefangen sind, die Augen vor allem verschließen, was in der Welt passiert und sich offenbar für nichts mehr interessieren außer für ihre Selbstdarstellung, entweder als photogeshoppte Supermodels auf Instagram, tictoc und snapchat oder als Superkriegshelden in „fortnite“ und „Game of thrones“. Sie denken nicht an die Zukunft, nicht mal an den nächsten Tag. Zumindest nicht bewusst. Aber etwas muss sie in diese Blase hineintreiben. Auch über sie wird in den Medien viel berichtet, vor allem von sorgenvollen Pädagogen und Soziologen. Ihre Motive mögen eine Synergie aus dem sein, was sie zur Generation „Z“ und „Y“ macht und dem, was die „letzte Generation“ und „Fridays for future“ bewegt, nur flüchten sie sich in Passivität, Süchte und Hedonismus.  

Ich möchte hier aber eine weitere Generationsströmung ansprechen, über die die Medien wenig berichten und die leise und fast gespenstisch neben den beiden anderen Generationsgruppen herläuft und nur Erwähnung in sozialwissenschaftlichen Abhandlungen und gehobeneren Presseartikeln findet.

Burnout Kids und mutlose Mädchen

Der bekannte Jugendpsychologe Michael Schulte-Markwort nennt sie burnout kids – erschöpfte Kinder und Jugendliche. Er hat dazu kürzlich ein Buch veröffentlicht, indem er von „Mutlosen Mädchen“ schreibt und einem neuen Phänomen, das man besser verstehen müsse. Professor Schulte-Markwort, so in einem Interview 2016, stand diesem Phänomen anfangs irritiert gegenüber, nachdem er mehr und mehr solcher jungen Patienten in seiner Praxis beobachtete. Er stellt fest, dass seine Arbeit als Psychologe sich sehr verändert habe und dass er die jungen Menschen, die in seine Praxis kommen, als „wunderbare Kinder“, sehr reflektiert, vernünftig, verantwortungsübernehmend empfinde.

Gleichzeitig sind sie wie getrieben und haben eine für junge Menschen ungewöhnliche Angst vor falschen Entscheidungen. Sie sind keine von sich überzeugte jugendliche Heißsporne, sondern eher wie verzweifelte gerade flügge gewordene Entenkinder in einem reißenden Strom, der sie pausenlos mitzureißen droht und in den sie nicht freiwillig gesprungen sind, sondern hineingestoßen wurden.  Und unter diesen gibt es zunehmend die, die so etwas wie ein „burnout“ entwickeln. Bei Mädchen beobachtet Prof. Schulte-Markwort eine besondere Form, die er als „Mutlosigkeit“ beschreibt, die sich von Depression oder „burnout“ unterscheide. Die Mädchen verfallen in eine innere Starre, möchten gar nicht mehr zur Schule, empfinden keine Freude mehr am Leben, sehen keinen Sinn.

Was die Generation Z vereint, ist die prägenden Zukunftsangst. Das „Z“ steht übrigens für „zero“, nicht für Zukunftsangst, so passend es wäre. Beunruhigend übrigens auch, dass es der letzte Buchstabe im Alphabet ist. Aber während die einen dadurch zu extremen Protestaktionen greifen, die anderen dagegen sich völlig in ihre Blase zurückziehen, Computerspielsüchte entwickeln oder in der Welt der social media leben, gibt es eben auch diese weitere Strömung von Kindern und Jugendlichen: Die unter der Last unserer Leistungsgesellschaft mit seiner schier unübersehbaren Masse an Angeboten, Erwartungen und Anforderungen so in die Knie gehen, dass sie entweder ein Burnout bekommen oder in ein Gefühl von Mutlosigkeit verfallen. Und von diesen wird meiner Meinung nach viel zu wenig geredet.

Der zeitgenössische Soziologe Hartmut Rosa hat das aktuelle Gefühl der Menschen mit einer „sich nach unten bewegenden Rolltreppe“ umschrieben: Man muss beständig nach oben gehen, um nicht unweigerlich mit der Rolltreppe nach unten zu fahren. Stehen bleiben oder langsamer werden ist zu keinem Moment erlaubt. Dabei geht es nicht einmal um den Versuch, höher zu kommen, sondern einfach nur darum, den Status quo zu halten, sich also an der gleichen Stelle auf der Rolltreppe zu halten. Prof. Schulte-Markwort sagt, die Kinder lernen, dass Stillstand Rückstand ist und dass es Stillstand nicht geben darf – nicht in der Wirtschaft, in der das Credo der Wachstum ist, nicht im privaten. Es gibt kein good-enough mehr für Kinder.

Um in dem Bild der Rolltreppe zu bleiben: Mutlose Mädchen haben einfach die Augen geschlossen und lassen sich willen- und regungslos auf dieser Rolltreppe nach unten transportieren. In einem dumpfen Gefühl der tiefen Ohnmacht in Bezug auf ihr Leben, ist es ihnen egal geworden, wo die Rolltreppe sie hinbringt.

Eine vereinzelte Hundehütte im Großbrand löschen

Diesen jungen Menschen psychologisch zur Seite zu stehen, ist der Versuch, bei einer in Flammen stehenden Mega-City nur eine Hundehütte zu löschen. Das Entscheidende wäre eigentlich, eine Gesellschaft zu schaffen, die keiner der drei Strömungen in der Generation Y und Z hervorbringen würde. Aber auch wir Erwachsenen stehen auf dieser Rolltreppe, laufen und rennen, versuchen, uns auf dem aktuellen Stand zu halten und in so einem Zustand kann man keine substanziellen Veränderungen herbeiführen. Auch nicht die Politiker übrigens, die ebenfalls auf dieser Rolltreppe Schritt halten müssen.

Auch ich fühle mich wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor der Schlange und frage mich: wo wird uns diese unweigerlich scheinende Abwärtsspirale hinbringen? Was kann ich, eine der Letzten der Generation „Baby Boomer“, tun? Ich schreibe darüber, als wüsste ich es, aber tatsächlich ich weiß es nicht. Ich hoffe und versuche, nicht die Augen zu schließen und meinen eigenen Kindern Resilienz, Mut und die Kraft der Visionen mitzugeben. Auf die Generation XYZ kommen gewaltige Aufgaben zu und wir alten 1955-1969 Geborenen müssen ihnen dabei den bestmöglichen Weg ebnen – soviel haben wir schon verkorkst, gemeinsam mit der Kriegs- und Nachkriegsgeneration vor uns.

Und ich hoffe inständig, dass nach der Generation Z nicht wieder eine Kriegsgeneration kommt und der Kreislauf der Generationen der Moderne und Postmoderne nicht von vorn losgeht.

Quellen und Tipps:

Bildungsgespräch mit Prof. Michael Schulte-Markwort, von 2016, aber aktueller denn je. Schulte-Markwort redet über Seiten von jungen Leuten, die angenehm in eine andere Richtung geht als all‘ die Artikel und Interviews, die diese ach-so-schreckliche Digital-Jugend anklagen. Er zeichnet ein ganz anderes Bild der heutigen jungen Menschen.

Soziologe Hartmut Rosa – Jung & Naiv: Folge 611

Lanz & Precht über die Jugend von heute, vom 5.08.22

Nachtrag zu den Lesetipps: am 25.12.22. also drei Tage nach meinem Post, kamen im Tagesspiegel folgende Artikel heraus (draufklicken lohnt sich leider nur für die, die ein Abo haben):

Was junge Frauen aus der Bahn wirft : „Sie lockt nichts mehr in die Welt. Sie bleiben völlig starr zurück“

Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort stellt bei heranwachsenden Frauen eine bislang unbekannte Störung fest. Sie wirken mutlos und ziehen sich von der Welt zurück. Ein Interview.

Am gleichen Tag kam im Tagesspiegel ein weiterer interessante Artikel zum Thema Generation Z: Tagesspiegel Plus Trend „Quiet Quitting“: Will die junge Generation überhaupt noch arbeiten? Spoiler: Nein, die Autoren ( Klaus Hurrelmann, Sozialwissenschaftler und Simon Schnetzer, Volkswirt und Jugendforscher) kommen eben genau nicht zu dieser Behauptung, sondern sehen dieses Phänomen unter den jungen Menschen, mehr auf work-life-balance zu achten, eben genau in der Tatsache, dass sie die Zukunft als sorgenbesetzt ansehen und sie nicht mehr sicher sind, ob ein Hinarbeiten auf lange, entfernte Ziele sich überhaupt noch lohnt. Sie zitieren eine Studie, die auch meine These unterstützt. Zitat aus dem Artikel:

Die Trendstudie erkundet die Gründe für diese Einschätzung: Die jungen Menschen geben zu Protokoll, sie hätten in den vergangenen, von der Pandemie geprägten Jahren, das Gefühl, die beste Zeit des Lebens verpasst zu haben. Wenn sie in die Zukunft schauen, sehen sie Dauerkrisen und eine von Unsicherheit geprägte Situation – nicht nur durch die Corona-Pandemie, sondern auch durch die Klimakrise, die Kriegsangst und die Inflation.
Balance zwischen Arbeit und Privatleben
: Es ist ungewiss für sie, ob es sich lohnt, für Langzeitziele hart zu arbeiten. Die Zukunft erscheint unberechenbar. Deswegen soll die Balance zwischen Arbeit und Privatleben inklusive Freizeit stimmen. Viele der Befragten klagen über schwere mentale Belastungen und psychische Störungen bis hin zu Suizidgedanken.“

Der Artikel vermittelt aber auch aufmunterndes:

„Die Jungen wissen um ihre Markt-Macht
Die Jungen wissen, dass sie vieles fordern können, denn ihre Macht als Nachfragende am Arbeitsmarkt ist deutlich gewachsen. Weil die großen Babyboomer-Jahrgänge nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden, können sie ihre Haltung durchsetzen. Als Berufsanfänger definieren sie die Bedingungen, unter denen sie arbeiten wollen.“
Und das ist vielleicht die Botschaft, die man den jungen Menschen dringend mit auf den Weg geben muss, die das nicht verinnerlicht haben. Die beiden Autoren gehen davon aus, dass „die Angehörigen der jungen Generation mit einer intuitiv fest verankerten Burn-out-Sperre leben“. Ob ich dem so unbegrenzt Recht geben würde, bin ich nicht sicher.

In jedem Fall ein lesenswerter Artikel.

Freundschaft plus als Zeichen für Bindungsängste?

(pexels.com)

Friends with benefits“ scheint gerade bei jungen Menschen das neue Modell der Wahl

Freundschaft plus, F+ oder auch „friends with benefits“ wird zu einem immer beliebteren Beziehungsmodell unter jungen Menschen und schwappt inzwischen auch zunehmend in die Köpfe der älteren unter den sich auf dem Dating-Markt tummelnden Beziehungs(un)willigen.

„Lass uns Freunde bleiben, aber ab- und zu Sex miteinander haben“, lautet dann die Grundformulierung. Zwei wesentliche Gründe stecken dahinter: Einerseits hofft man, das Beziehungsgebilde würde dadurch unkomplizierter und andererseits möchte man sich damit seine Freiheit erhalten: Freiheit, andere Liebesabenteuer zu haben, Freiheit bei seinen Plänen keinen Beziehungspartner berücksichtigen zu müssen, Freisein von verstrickenden Gefühlen, die einen an den anderen binden. Genau die Freiheit bzw. das Fehlen von Verliebtheit soll die F+ auch unkomplizierter machen, obwohl auch sie nicht ohne klare Regeln auskommt: Keine Treue erwarten, keine Versprechungen und Verpflichtungen, die die Friendzone verlassen würden, konsequenterweise auch keine gemeinsamen Zukunftspläne. Jeder macht weiter sein Ding, ungeachtet des anderen. Eine klare Kommunikation braucht die F+ aber natürlich genauso wie die feste Beziehung. Streng genommen ist sie in jedem sozialen Miteinander nötig, so eben auch hier.

Alles entspannt also?

Die positiven Seiten liegen erst einmal auf der Hand: Ohne Treueversprechen und ohne Verliebtheit keine Eifersüchteleien, die sonst so oft Liebesbeziehung strapazieren und öfter auch zum schmerzhaften Ende führen. Beide genießen ihre Freiheit als Single, aber müssen deswegen nicht auf Sex mit einer vertrauten Person verzichten, und bekommen diesen ohne Erwartungsdruck, oft entspannter und ohne dass sich einer dazu verpflichtet fühlt. Routine schleicht sich zwischen Friends with benefits auch nicht so schnell ein. Es gibt keine Streitereien darüber, wo man gemeinsam den Urlaub verbringt, wie man die gemeinsame Wohnung einrichtet, und dass der andere schon wieder seine Klamotten im Wohnzimmer herumliegen gelassen hat. Keine Missverständnisse mehr über vermeintlichen Liebesentzug oder im Gegenteil erwürgendes Klammern. Trotzdem ist immer einer da, mit dem man nicht nur körperlich vertraut zusammenkommt, sondern der auch zuhört, mit dem man etwas unternehmen kann, mit dem man lacht und weint, wie man das eben unter Freunden tut. Man genießt alle Vorteile einer Liebesbeziehung, aber eliminiert die negativen.

Wirklich? 

Gefühle lassen sich nicht steuern. Wenn man körperlich Lust aufeinander verspürt, ist da offenbar per se schon mal mehr als nur platonische Freundschaft. Die Gradwanderung zwischen Freundschaft und einer Liebesbeziehung ist schmal. Sollte man dennoch gemeinsam in den Urlaub fahren, auch wenn man keine feste Beziehung hat? Sollte man sich nicht doch eine gemeinsame Wohnung in Form einer WG nehmen, das ist ja viel billiger und praktischer? Und ist der andere nicht doch verletzt, wenn man heute aber keine Lust auf Sex mit ihm hat? Und wie fühlt man sich, wenn der eine einem irgendwann sagt: „Du, ich möchte das Plus aus unserer F+ rausstreichen, ich habe mich in jemand anderen verliebt und mit dem möchte ich jetzt eine feste Beziehung.“ Steckt man das dann einfach weg? Und bedeutet das nicht unter Umständen auch das Ende nicht nur des Plus‘, sondern auch der Freundschaft? Und wenn man dann doch eifersüchtig ist, wenn der andere mit auf der Party wild herumflirtet, während man eigentlich gern nach der Party noch auf einen Sprung mit zu ihm gekommen wäre? Hat man dann ein schlechtes Gewissen, weil Eifersucht ja eigentlich ein Tabu in der F+ ist und kämpft mit Liebeskummer, den man nicht mal nach außen zugeben kann?

Verbirgt das Ablehnen einer festen Beziehung und das Etablieren einer Freundschaft Plus nicht vielleicht nur eine grundsätzliche Beziehungsunfähigkeit, die ja einige Psychologen bei der jungen Generation bereits festzustellen glauben? Verpassen junge Leute es so eventuell, feste Beziehungsmuster zu trainieren, ehe sie sich dann irgendwann endgültig für jemanden entscheiden möchten, mit dem sie dann vielleicht auch eine Familie gründen wollen. Sicher ist das aber nicht, denn auch Freundschaft trainieren ist ein wichtiger Grundpfeiler für eine gut funktionierende Liebesbeziehung. Und bei einer F+ geht die Freundschaft unter Umständen durch ein hartes Training.

Wie auch immer man zur friendship mit benefits steht: Es ist zwar ein anderes Modell der Beziehungsführung, aber wirklich unkomplizierter ist es in den meisten Fällen sicher nicht. Und langlebiger vielleicht auch nicht. Eine US-Studie soll belegt haben, dass F+ Beziehungen nicht langfristig funktionieren könnten. Ob eine Studie das wirklich belegen kann, angesichts der Fülle der auch kulturell bedingten Faktoren, der so eine Beziehung unterliegt, kann man in Frage stellen. Manch‘ eine Freundschaft plus soll ja auch mal in einer festen Liebesbeziehung geendet sein.

(Schönste Story dazu: Harry und Sally. Die Kinokomödie habe ich vor über dreißig Jahren gesehen, da war F+ noch gar nicht à la page. Vielleicht ist es doch nicht so eine neumodische Form, wie man glaubt?).

Ein letzter Gedanke, auch in Hinblick auf die oben erwähnte Studie: Denkbar wäre, dass jungen Menschen etwas einfacher gelänge, was ihre getrennten und wieder suchenden Mütter oder Väter nicht hinbekommen, weil die ältere Generation eher wieder in die konservativen, ursprünglich erlernten Beziehungsmuster zurückfällt, während jungen Menschen sich früh in der „modernen Beziehungsform“ der F+ trainieren und das zu ihrem Muster machen. Und Beziehungen sind ja so vielfältig wie die Menschen selbst und jede Zeit hat ihre bevorzugte Beziehungsform gehabt. Nur eins haben wohl alle Beziehungsformen, egal zu welcher Zeit, alle gemein: Einfach waren und sind sie nie, weil eben soziale Verbindungen zwischen Menschen immer komplex sind. Gott sei Dank. Wie langweilig wäre sonst das Leben?

Ein Artikel in der Women’s health online zitiert eine Studie folgendermaßen: Denjenigen, die ihre Beziehung in eine Freundschaft ohne Sex umwandeln wollten, gelang dies auch (59 Prozent). Die Paare, die eine feste Beziehung aufbauen wollten, schafften das in viel geringerer Zahl (15 Prozent). Bei der Mehrheit der Befragten (31 Prozent) war das Verhältnis aber komplett zerbrochen, inklusive der Freundschaft. In einer anderen Studie bewerteten nur 38 Prozent ihre Freundschaft plus als positive Erfahrung, 40 Prozent sagten, sie würden sich nie wieder darauf einlassen. („Sex unter Freunden: So endet ‚Friends with benefits‘ meist“, von Elina Wiesner, 04.04.2022 https://www.womenshealth.de/love/beziehungsprobleme/so-endet-freundschaft-plus-in-den-meisten-faellen/

Originalquelle der o.g. Studie: A longitudinal study of friends with benefits relationships, Laura V. Machia, Morgan L. Proulx, Michael Ioerger, Justin J. Lehmiller, First published: 20 February 2020 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/pere.12307

Haare ab! Hosen runter…

Ich habe diesen Blogeintrag bereits vor zwei Wochen begonnen, als es in der Presse schon länger stiller geworden war zu dem Thema. Jetzt flammt es wieder auf und das ist gut so! Ich möchte hier auch nicht einen weiteren Kommentar zu den Geschehnissen im Iran geben, sondern einen bestimmten Aspekt beleuchten, der in den derzeitigen Artikeln nie zur Sprache kommt: den, dass unsere deutsche Feministinnen-bewegung sich seltsam bedeckt hält…

(Foto: Shutterstock.com)

Seit September 2022 toben nun im Iran Proteste, ausgelöst am 16. 09. durch den Tod von Mahsa Amini – eigentlich Jina Amini, aber da es ein kurdischer Vorname ist, darf sie ihn im Iran nicht offiziell tragen – im Quartier der Sittenpolizei. Es gibt dazu inzwischen lange Wikipedia-Einträge. Zu Recht, denn die Wichtigkeit dieses Ereignisses übersteigt vermutlich weit das jetzige tatsächliche Interesse, das der Westen den Geschehnissen zubilligt.

Dieses Desinteresse lässt mich bass erstaunt, auch wenn jetzt das Thema wieder langsam Eingang zu finden scheint. Dass die Berichterstattung der Presse über ein Thema abebbt, wenn nach wenigen Wochen andere dominieren, kennt man ja. Außerdem braucht unsere Medienlandschaft ständig Bilder, um das Interesse aufrechtzuerhalten. Aber genau die fehlen zunehmend, seit der Iran die sozialen Medien noch wirkungsvoller und strenger denn je sperrt und kontrolliert. Die Journalisten dürfen vor Ort nicht berichten, bekommen sofort ihre Pressekarte entzogen und werden gleich ausgewiesen. Berichte gibt es nur von Korrespondenten aus der Türkei. Durchsickern können Fotos und Bilder nur über die sozialen Medien, die die IranerInnen seit je her nutzen, auch wenn sie verboten und gesperrt sind. Aber um breites Medieninteresse im Westen aufrechtzuerhalten reicht das nicht. Wenn Journalisten nicht vor Ort berichten können, berichten sie quasi gar nicht, was sich die Islamische Republik massiv zunutze macht.

Das alles erstaunt mich nicht, so ticken unsere Medien. Und jetzt, wo die Weltpolitik sich wieder etwas verstärkter dem Thema annimmt, wachen auch die Leitmedien wieder auf. Es ist das, schon bei Precht und Welzer „Die vierte Macht“ angeprangerte Spiel zwischen Politikern und Medien. Aber darüber wollte ich hier nicht schreiben.

Es ist ein anderer Block, dessen Stimmen ich hier vermisse. Seit die Proteste aufgekommen sind, frage ich mich: Wo zum Teufel sind die ganzen deutschen Feministinnen, die bei jedem unterlassenen Gendern einen Shitstorm lostreten, bei jedem auf den weiblichen Po hinabgeglittenen Männerblick „#metoo“ brüllen und mit dem Anwalt drohen, wo waren sie alle am 22.10., als „Terre des femmes“ zu Protesten vor der iranischen Botschaft aufrief? Wieso waren unter den 80.000 Demonstranten vor allem IranerInnen, kaum Deutsche? Auch die Proteste in Köln am 05.11. waren ausgerufen und dominiert von iranisch-deutschen Vereinigungen, neben denen, die für die Ukraine auf die Straße gegangen waren – nicht von rein deutschen.

Wieso sind die Straßen nicht voll von eben den deutschen Feministinnen, die doch sonst wegen jedem Pups, der frauenfeindlich riecht, wütend ihre Prostestplakate hochhalten und die sozialen Medien sofort damit vollpflastern? Wo sind die ganzen Hashtag-Nachrichten, die sonst Instagram und facebook überschwemmen, wenn ein #metoo-verdächtiger Skandal Deutschland erschüttert? Ich finde auf Instagram haufenweise Posts von IranerInnen und ein paar amerikanische, die Deutschen sind seltsam still. Wo sind die Frauen dieses Landes, in dessen Hauptstadt der Frauenwelttag am 8. März sogar ein Feiertag ist?  Wo sind die ganzen Artikel, Aufrufe, Solidaritätsbekundungen der deutschen feministischen Bewegung? Wo die Interviews mit führenden Feministinnen wie Alice Schwarzer und Co? Ein kurzes Gespräch von sechs Minuten hat die Emma-Herausgeberin auf WeLT.de gehalten, das war am 26. September. Weitere Statements von ihr in deutschen Medien habe ich nicht gefunden. Sie hat in dem Interview erklärt: Die Frauen hätten eh keine Chance, das Regime wäre zu repressiv und gewalttätig, sie würden sowieso alle niedergeknüppelt und führte als Beispiel die Revolutionsversuche 1979 auf und vergaß 2009, 2017 und 2019, als habe es die nicht auch gegeben. Sie beteiligte sich in Paris noch an einer Veranstaltung (die Französinnen und Schwedinnen zeigen sich weitaus solidarisch als die deutschen Frauen), ab Oktober dann war das Thema offenbar für sie vergessen und sie wendete sie sich lieber wieder der Ukraine und Putin zu. Dabei sagt sie selbst zu Recht: die Proteste können nur Erfolg haben, wenn sie Hilfe von außen bekommen und ausländische Medien berichten.

Wo ist sie dann, diese mediale Hilfe von deutschen Feministinnen? Von all‘ den Frauen, die sofort in einem gewaltigen Medien- und Proteststurm den Rücktritt eines Politikers fordern würden, dessen falsch platziertes Wort auch nur einen leichten Schatten des Verdachts von Frauenfeindlichkeit auf ihn werfen könnte?

Hier hätten sie ein wirkliches Betätigungsfeld, für die Gleichberechtigung der Frauen zu kämpfen und auf die Straße zu gehen. Sie würden nicht das Regime der Islamischen Republik stürzen, aber sie würden dafür sorgen, dass unsere Politiker sich viel intensiver mit dem Thema beschäftigen müssten. Und es würde den Machthabern im Iran zeigen, dass sie nicht verhindern können, dass alle in der Welt erfahren, was in ihrem Land gerade ab geht. Bilder haben unendlich Macht – wieso teilen die deutschen, um die Gleichberechtigung kämpfenden Frauen nicht hundertfach die Bilder, die die IranerInnen von ihren Demonstrationen posten?  

Ich bin fassungslos. Die Stille aus der deutschen feministischen Ecke lässt mich mehr denn je an der Ehrlichkeit und Sinnhaftigkeit von deutschem „Kampf für Frauenrechte“ zweifeln. Auch an der der Queerbewegung – im Iran steht auf Homosexualität die Todesstrafe. Hier in Deutschland wird wegen jeder unterstellt-antifeministischen Rosine gestritten, gezankt, protestiert, sich künstlich aufgeregt, gedisst, niedergemacht – und wenn es woanders um einen ganzen Berg von Rosinen geht, hoch wie der Mount Everest, der Frauen und Queere wirklich bis zum Tode unter sich begräbt, dann herrscht Schweigen. 

Dass die Politiker sich lange nur mit leeren Worthülsen meldeten, sogar dass von unserer Außenministerin Frau Baerbock, die sich „feministische Außenpolitik“ auf die Fahnen geschrieben hat, und die sich lange kaum wirklich zu der Situation äußerte, vor allem nicht mal annährend konkrete Konsequenzen ankündigte, erst jetzt schärfere Worte kommen, fast zwei Monate nach Beginn der Proteste, verwundert mich wenig. Zu sehr widerspricht es gerade den politischen Bemühungen, gerade in den islamischen Ländern sich Ressourcen zu sichern, die man von Russland nicht mehr bekommen möchte. Aber was ich nicht verstehe ist, dass sie deswegen die ganze Zeit keinen Shitstorm bekam! Herr Scholz wurde massiv unter Druck gesetzt, er solle Waffen die Ukraine schicken – aber keiner hat Frau Baerbock unter Druck gesetzt, sich viel früher gegen die Machthaber der Islamischen Republik zu positionieren. Wieso kamen keine derlei Forderungen von Seiten der deutschen Feministinnenbewegung ihr gegenüber? Dass unser Bundeskanzler Herr Scholz die Reaktion der iranischen Regierung als „unverhältnismäßige Gewalt“ beschreibt – als wäre „verhältnismäßige Gewalt“ gerechtfertigt gewesen – , hat seltsamerweise auch keine nennenswerte mediale Reaktion ausgelöst. Ein paar wenige Kommentatoren haben das beiläufig erwähnt, dass diese Ausdrucksweise vielleicht etwas daneben war. Mehr nicht.

Es ist sehr interessant zu beobachten, was in diesem Land einen Shitstorm auslöst und was nicht.

Und zeigt mir wieder einmal mehr, dass wir uns mit unserer „Cancel Culture“ vom Sofa aus in eine Luxus-Skandal-Stimmung versetzt haben, die jeder tief motivierten Überzeugung entbehrt. Aufregen, weil Aufregen so schön viel Adrenalin ausschüttet, ohne dass man dafür Bunging Jumping machen muss. Dabei gäbe es hier etwas, für das es sich wirklich lohnen würde, sich aufzuregen und die Medien damit anklagend zu überschwemmen. Hier gäbe es Hashtags zu verteilen, noch und nöcher. Aber da müsste man sich informieren, sich wirklich mit anderen Schicksalen auseinandersetzen, und vor allem: es betrifft uns deutsche Frauen ja nicht mal potenziell. Die deutsche #metoo“ Debatte ist zu einem mit heißer Luft gefüllten Ballon verkommen, die nur als Aufhänger für tägliches Aufregen über leere Peanut-schalen gut ist, aber nicht taugt, um die wirklichen frauenrechtlichen Probleme in der Welt medial anzuprangern. Es ist nur ein künstlich aufgeregtes, egozentrisches „um-den-eigenen-Bauchnabel-Kreisen“, wenn ich mir dieses Wortungetüm mal erlauben darf.

Ich habe mich durch die Proteste eingehend mit dem Iran beschäftigt. Nicht nur, weil ich fassungslos bin über die unerklärliche Stille aus den Reihen der sonst sich so martialisch äußernden deutschen Extrem-Feministinnen (auch, wenn ich vor allem das hier zum Leitthema mache), sondern vor allem, weil ich das Gefühl habe, dass neben dem Ukrainekrieg diese Proteste – inzwischen wird ja bereits von einer Revolution gesprochen -, eine weitreichende geopolitische Bedeutung haben werden und sie später vielleicht mal in die Geschichtsbücher als Wendepunkt eingehen, als auslösendes Ereignis. Vielleicht geht dort wirklich gerade eine geschichtsverändernde Revolution vor sich – eventuell eine in der modernen Zeit beispiellose, da sie ohne Anführer auskommt und eher eine Art Schwarmverhalten der Frauen und der Generation Z zu sein scheint, inzwischen unterstützt auch von vielen Männer. Das geopolitische Interesse, das an einem Staat wie Iran in seiner aktuellen Situation zukommt – seine Sandwichsposition als einerseits einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, andererseits jetzt durch die Annäherung an Russland, ihr Nuklearprogramm und ihr reiches Ressourcenvorkommen -, verstärkt diese explosive Situation. Wir haben ihr bisher von ihrer Bedeutung her viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Meine Quellenliste habe ich versucht, soweit es geht einzudampfen und mich auf die zu beschränken, die mir besonders lohnend erschienen.

Ganz vorneweg eine Petition von HÁWAR.help zur „Die Freiheitsbewegung in Iran mit konkreter Politik“, vom 07.10.2022. Wer die Petition im Dt. Bundestag unterzeichnen möchte, findet sie hier.

Dann als zweites ein ganz heißer Buchtipp: „Zwischen den Welten“ der Journalistin Natalie Amiri über den Iran (2021) ist ein Buch, das ich nur jedem ans Herz legen kann.  N. Amiri, die seit dem 30. März 2014 den Weltspiegel moderiert, sowie das BR-Europa-Magazin euroblick und von 2015 bis April 2020 das ARD-Studio in Teheran leitete, gibt einen mitreißenden Einblick in ein Iran, wie man es aus Geschichts- und Politikbüchern nicht lernt. Vor allem nicht so spannend. Man erfährt nicht nur enorm viel über die Geschichte, Politik und Machtverflechtungen der Islamischen Republik, sondern auch und vor allem viel über das alltägliche Leben der Menschen, über die Schwierigkeiten der Journalisten zu berichten, über die Methoden der Machthaber, die Bevölkerung systematisch einzuschüchtern. Sie verquickt mitreißend ihrer eigenen persönlichen Erfahrungen als Journalistin in dem Land, in dem sie lange gelebt hat und dessen Sprache sie spricht, und den politischen und geschichtlichen Geschehnissen. Wir lernen und behalten über Emotionen – und das Buch löst eine Menge davon aus, so dass man sich auch die ganzen enorm vielen Fakten über den Iran merkt. Wäre ein einziges deutsches Lehrbuch so aufgebaut – die Schüler hingen mit Begeisterung ihre Nase rein. Mich hat dieses Buch eingesaugt und für kurze Zeit in den Iran katapultiert – und mich dann wieder unendlich dankbar werden lassen, dass ich in einer solchen Freiheit leben darf. Und wenn mir ein Mann im Gym auf den Arsch glotzt – na und? In diesem Land darf ich meinen Körper wenigstens gefahrlos zeigen: Sich auf den Hintern und Busen gucken lassen zu dürfen kann je nach Perspektive auch Freiheit bedeuten.

Auch als Hörbuch hörenswert – sehr gut gelesen von der Autorin selbst.

Einige ausgewählte Berichterstattungen und Interviews (chronologisch)

Podcast Lanz und Precht: Folge 61 vom 05.11.2022

Im Podcast Folge 62 sprechen die beiden das Thema zu Beginn erneut an.

Amir, Nika, Mohammad: Nicht einmal vor Kindern macht die Grausamkeit des Regimes in Teheran Halt. Hunderte Iraner wurden in den vergangenen Wochen von Einsatzkräften getötet. Unter den Opfern sind auch Kinder und Jugendliche. Wie sind sie ums Leben gekommen und durch wen? Fotos von getöteten Kindern und Jugendlichen, zu jedem eine kleine Geschichte. Tagesspiegel, 3.11.22, für Abonnenten

Interview mit der iranischen Menschenrechtlerin Seyran Ates vom 26.10.2022 : Auch sie bemängelt, dass es längst nicht genug Menschen im Westen auf der Straße sind und auch die Politik nicht effizient reagiert.

Podcast jung & naiv: Iran Expertin Nathalie Amiri, 19.10.22, oder als video.

Roderich Kiesewetter aus dem Auswärtigen Amt (CDU) spricht sich für sehr harte Sanktionen aus, die aber ernsthaft vorerst nicht ins Gespräch kamen, auch nicht auf dem G7 Treffen im Köln am 4.11., wo sich zwar scharf gegen die Gewalt ausgesprochen wird – aber konkrete Vorschläge für eine politische Reaktion nicht mal diskutiert wurden.

Reportage vom auf Weltspiegel extra, mit vielen Videos von Twitter von den Protesten, gedreht von Demonstranten im Iran

Für SpiegelPlus Abonnenten 02.10.22: Autorin Hakakian über die Proteste in Iran, »Es gibt nur noch einen Weg: das Regime stürzen«. Roya Hakakian floh aus Iran in die USA. Hier erzählt sie, wie die jetzigen Proteste sie an die Revolution von 1979 erinnern. Und warum sie die Hoffnung hat, dass es diesmal besser wird. 

Omid Nouripour und Jasmin Tabatabai über Proteste in Iran: »Die Menschen haben so die Schnauze voll« , Der Spiegel, 29/30.09.22. Ausschnitte – Der Bericht über den Talk: Ganze Version des Talks unter: »Das sind total bekloppte Leute«, Hijab, Sittenpolizei, Fundamentalisten: Grünenpolitiker Omid Nouripour und Schauspielerin Jasmin Tabatabai halten Reformen in Iran für unwahrscheinlich. Trotzdem haben sie Hoffnung – die Highlights im Video.

Natalie Amiri über Proteste im Iran | Markus Lanz vom 27. September 2022

Von Alice Schwarzer nur ein kleines Interview am 26.09.22:

„Zeit des Zorns in Iran – Die bluttriefende Wunde“, ein Essay von Amir Hassan Cheheltan: Nach vier Jahrzehnten im Krisenzustand sind die Menschen in Iran müde: Sie ein normales Leben ohne Repressionen führen, vor allem die Frauen. Die Zeit des Regimes ist abgelaufen. Warum verstehen die Mullahs das nicht? 31.10.22 (Spiegelplus).

Interview mit Shadi Amin: Todesurteil für LGBTQI-Aktivistinnen: „Gefängnis im Iran ist die Hölle“. Zwei Frauen wurden dort nun zum Tode verurteilt. Ein Gespräch über Sichtbarkeit und Repression, TAZ vom 19.09.22. Shadi Amin ist Leiterin des Netzwerkes „6RANG“ und Autorin des Buchs „Gender X“. Sie ist gebürtige Iranerin, politische Geflüchtete und lebt seit ihrem 18. Lebensjahr im Exil in Deutschland.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. berichtet auch und stellt einige Forderungen.

Zur Frage: Wie reagierten die deutschen PolitikerInnen zu Beginn?

Scholz: Unverhältnismäßige Gewalt

https://www.businessinsider.de/politik/gast-beitrag-was-die-deutsche-antwort-auf-die-iran-proteste-ueber-das-dilemma-internationaler-politik-verraet /

https://www.welt.de/politik/deutschland/article241748017/Sanktionen-halbherzig-folgt-deutsche-Haerte-gegen-den-Iran.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/iran-bundesregierung-reaktion-100.html

https://politik.watson.de/deutschland/analyse/299534960-iran-proteste-deutsche-politiker-fordern-konsequenzen-fuer-das-regime

Teseo La Marca auf „über-medien“ kritisiert am 2.11. die Berichterstattung der Leitmedien zum Iran: Wie sich deutsche Medien von iranischer Propaganda einlullen lassen

Demos in Deutschland:

Am 05.11.22 Demo in Köln: Protest gegen russischen Angriffskrieg und Unterdrückung im Iran  Aufgerufen haben ukrainisch-deutsche und iranisch-deutsche Gruppen.

Proteste am 22.10. in Berlin vor der Botschaft. Man sieht vor allem iranische Demonstranten

Code scannen und sehen, wo es die nächsten Veranstaltungen gibt.
Aktivistin Düzen Tekkal auf Instagram, 12.11.22

Last but least, das Stück, das zum Song der Revolution geworden ist, von Shervin Hajipour : „Baraye“ (=“dafür“) dessen Lyrics sich ausschließlich aus Posts der protestierenden IranerInnen auf sozialen Medien zusammensetzt – er wurde sofort von der Revolutionsgarde festgenommen, kam mehrere Tage ins Gefängnis und wird nun verurteilt werden. Diese Version vom „The Guardian“ gibt noch Hintergrundinfos über andere arrestierte Musiker.

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Fediverse – ein besseres Social Media Universum?

Geschwister-Chat um halb sechs Sonntagmorgen

Offenbar leiden sowohl mein Bruder als auch ich an seniler Bettflucht, jeweils bei sich zuhause wach im Bett mit einem digitalen Endgerät, und das um fünf Uhr morgens am Sonntag. Mein Bruder in seinen Laken umgeben von Hunden und seiner Ehefrau, ich von Büchern – für meinen Hund ist das Bett glücklicherweise zu hoch, er würde hier auch nur weiteres Chaos anrichten… meins reicht mir völlig.

Mein Schreibplatz am Sonntag, fünf Uhr in der Früh

Der ältere meiner Brüder der hat eine Instanz für Fediverse eingerichtet und die Nachricht über Signal gestern Abend an alle Familienmitglieder verschickt.

Was zum Teufel ist Fediverse? Ich bemühe erstmal wikipedia:

„Fediverse (ein Kofferwort aus „federation“ und „universe“) oder Fediversum bezeichnet ein Netzwerk föderierter, voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke, Mikroblogging-Dienste und Webseiten für Online-Publikation oder Daten-Hosting. Das Konzept kam 2008 mit GNU Social auf und verbreitete sich 2016 vermehrt mit Mastodon und dem 2018 vom World Wide Web Consortium (W3C) definierten Kommunikationsprotokoll ActivityPub.

Die Idee des „Fediverse“ ist, dass es möglich sein soll, ein Benutzerkonto auf einer beliebigen Plattform im Fediverse anzulegen und sich darüber mit Nutzern auf allen anderen Plattformen austauschen zu können, ohne dort ein weiteres Konto anlegen zu müssen. Ermöglicht wird das dadurch, dass die einzelnen Plattformen mittels bestimmter Kommunikationsprotokolle miteinander verbunden sind und so die föderierte Identität und Inhalte jeweils auf andere verbundene Plattformen und Instanzen verteilt werden. Diese Praxis steht im Gegensatz zu geschlossenen sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook, bei denen Benutzer ein eigenes Benutzerkonto in jedem der Netzwerke benötigen, wenn sie mit anderen Nutzern des jeweiligen Netzwerks interagieren möchten.“

Bringt mich jetzt erstmal nur bedingt weiter. Aber mein Bruderherz hat auch einen Link zu einem ausführlichen Blogeintrag eines IT-Spezialisten beigefügt: Kuketz-IT-Security, den ich mir dann tatsächlich in Herrgottsfrühe am Sonntagmorgen reinziehe. Es bleibt eine Unmenge weiterer Fragen offen und ein lebhafter Chat unter Geschwistern beginnt, in dessen Folge ich Administrator der von meinem Bruder eingerichteten neuen Fediversum-Instanz werde. Wir versuchen gemeinsam die Funktionen zu verstehen – mein Bruder hat noch nie auf Social Media Plattformen wie Instagramm, Twitter oder facebook gepostet und muss sich selbst erst zurechtfinden. Als selbsterklärend erweist sich die Plattform Mastodon, ähnlich Twitter, auf der wir uns als erstes erproben, nicht. Es geht schon los mit einem ganz neuen Vokabular: „Instanzen“ sind die eigenen Server, die jeder einrichten kann, wenn er denn das technische know-how hat. „Toot“ sind Nachrichten. „Tröten“ ist der Parallelbegriff für „twittern“ und so heißt der Button für Absenden auch „tröt“ (englisch eben toot). Der öffentliche Bereich ist die „Föderation“ oder auf Englisch „federation“. Man verlinkt bzw. vernetzt sich nicht, man federiert… da schwirrt einem gleich in der ersten Stunde der Kopf, erst recht am frühen Morgen.

Fediverse ist zwar offenbar als löbliche Kampf gegen die GAFAs[1] und den Handel mit Daten und der Einflussnahme rein unter Gesichtspunkten höchster finanzieller Einnahmen zu verstehen, aber wer von den Millionen Usern der GAFAs wird sich mit diesem komplexen Netzwerk-system auseinandersetzen? Meine Tochter, leidenschaftliche Nutzerin von Insta und snapchat sicher nicht – nicht mal mein Sohn, der die GAFAs als Gefahr für die modernen Medienlandschaft erkannt hat. Gerade bei den Jugendlichen wird es schwer an den Mann zu bringen sein.

Unterstützt wird das ganze „Projekt“ in jedem Fall von den Datenschützern, den Ministerien und der EU. Ebenso scheinen sich inzwischen einige Journalisten dort zu tummeln, die es nutzen, dass ihre Beiträge nicht von Algorithmen gefiltert werden, sondern einfach zeitlich nacheinander erscheinen (auf Fediverse demnach auch „Zeitschiene“ genannt).

Und immerhin hat sich ja zumindest Signal und Telegram auch gegen Whatsapp ein wenig durchgesetzt. Nun sind Signal und Telegram natürlich auch wieder nicht europäisch, sondern amerikanisch bzw. russisch (was für eine brisante Kombi, beides parallel zu nutzen). Offenbar schaffen wir es einfach nicht, selbst was Funktionierendes und Akzeptiertes auf die Beine zu stellen. Der Versuch mit dem schweizerischen Threema hat sich offenbar als eben zu kompliziert und mit dann wieder zu vielen Sicherheitstüren als wenig benutzerfreundlich erwiesen und ist irgendwie in der Versenkung verschwunden. Aber dennoch sind die Messanger-Dienste wenigstens nicht Teil der GAFAs und gehen anders mit unseren Daten um.

Ich denke, jeder Ansatz, den GAFAs ein wenig Einhalt zu gebieten, sollte wahrgenommen werden. Vielleicht versickert auch Fediversi wieder in der Versenkung, nachdem der Kauf von Twitter durch Elon Musk dem seit 2008 erfundenen und 2018 neu vom W3C definierten Kommunikationsprotokoll, was die Plattformen untereinander besser kompatibel machen soll, dem Ganzen vielleicht einen neuen Aufschwung gegeben hat. Und bei den vielen Angeboten und Möglichkeiten hat es ja vielleicht doch eine Chance, sich durchzusetzen.

Einen Versuch ist es allemal wert.

Eine kurze Zusammenfassung zu einer der Plattformen, Mastodon, die Twitter-Konkurrenz -> Tröten statt Zwitschern: Mastodon – das bessere Twitter?, vom 28.10.22.

Wer nicht lesen will, muss hören: Hier ein Podcast, der wirklich sehr gut und umfassend über Fediverse berichtet.

Alles über das Fediverse #komprimiert, vom 7. Mai 2022 https://besser.demkontinuum.de/

Auf der Seite, unter der Audio findet ihr ganz viele Links und Hinweise dazu: Listen von seriösen Instanzen, wo ihr euch eine Adresse einrichten könnt, Listen von den einzelnen angebotenen Plattformen und vieles mehr.

Jedem, der mit Fediverse anfangen möchte, empfehle ich diesen Podcast zur Einführung wärmstens!!

Einen Vergleich von den beiden Podcastern fand ich sehr hilfreich, um das System mit der Adresse zu kapieren: Die Adresse ist wie eine Telefonnummer. Ich bin bei einem Anbieter, aber mit meiner Telefonnummer kann ich jeden anderen anrufen, auch wenn der bei einem anderen Anbieter ist. Anbieter ist in dem Fall die Plattform, nicht die Instanz/der Server.

Und wer dann soweit ist, findet mich dann im Federations-Universum unter jannae(at)sozialer.irrpfad.de 😊.

PS: Meinen Instagram-Account gibt es aber weiterhin unter jannaenadius. Noch.


[1] . GAFAs : Inzwischen sicher jedem ein Begriff. Das Wort GAFA ist die Abkürzung für Google, Apple, Facebook und Amazon und wurde von der Europäischen Union eingeführt und gilt als Mahnung vor der Macht, die diese großen Unternehmen haben. Dabei geht es vor allen Dingen um den finanziellen Einfluss.

Autoren-Homepage & Blog

(Direkt zum aktuellsten Blog-post vom 22.12.22: -> Die Generation der Generationen YZ)

Nomen est omen (Leseprobe)

Es roch nach verbranntem Toast. Lena drehte sich verwirrt um. War sie so übermüdet, dass sie sich nicht mehr erinnerte, dass sie eine Scheibe Brot in den Toaster gesteckt hat, nachdem sie in die Küche geschlurft gekommen war? Sie ging zum Toaster. Der war leer. Sie öffnete den Brotkasten. Auch da gähnende Leere. Sie schüttelte unwillig den Kopf und begann theatralisch schnüffelnd durch die Küche zu laufen wie ein Hund, der auf der Spur eines geflüchteten Kaninchens war. Ihre Nase brachte sie zum geöffneten Fenster. Sie schaute die vier Etagen am Hochhaus herunter. Der Geruch kam von draußen, aus einem der unteren Stockwerke. Sehen konnte sie nichts, auch keinen Rauch. Nur dieser starke Geruch einer inzwischen garantiert komplett verkohlten Brotscheibe zog ihr in die Nase.
“Fuck! Erst keinen Kaffee mehr da und jetzt noch verbranntes Toast! Scheiß-Morgen!”, hörte sie eine extrem verärgerte Stimme. Lena grinste. Aha, das war der Nachbar aus dem zweiten Stock. Sie schnappte sich die Dose mit ihrem Kaffeepulver, flitzte durch den Flur, blieb kurz am Spiegel stehen, prüfte die Ringe unter ihren Augen, gegen die sie jetzt leider so schnell nichts machen konnte und sauste auf Socken und im schlabbrigen T-Shirt die Treppe runter. Als sie vor seiner Tür stand, hielt sie einen Moment inne, während ihr Finger bereits wenige Zentimeter über dem Klingelknopf schwebte, unter dem auf einem sich fast ablösenden provisorischen Klebezettel: “Jakob Mehlwurm” gekritzelt stand. Eines dieser Provisorien, die dann offenbar doch eine Ewigkeit halten mussten, denn Jakob Mehlwurm war schon vor über einem Jahr hier eingezogen und hatte offenbar noch immer kein anständiges Türschild. Lena musste sich ein Lachen verkneifen. Wie sollte man jemanden ernst nehmen, der so hieß? Nomen est omen. Wie findet man eine angesehene Arbeitsstelle, wenn man seinen Lebenslauf mit so einem Namen einreichte? Aber Jacob Mehlwurm musste einen ganz passablen Job haben, außer, er hatte sein ganzes Jahresgehalt einzig in einen niegelnagelneuen Tesla investiert und lebte sonst arm wie eine Kirchenmaus. Bei Männern war alles möglich.
Sie klingelte, zaghafter, als es ihrem rasanten Treppenhüpfen entsprach. Sie hörte energische Schritte, die die ganze männliche Wut über den fehlenden Kaffee und das verbrannte Toast wiederspiegelten. Er rieß die Tür auf. “Ja?!”. Lena hielt ihm die Dose mit Kaffeepulver hin, fast wie ein Schutzschild zwischen ihn und sich, am Liebsten hätte sie noch die Schultern eingezogen. “Hä, was soll das?” Mit etwas unhöflichen Blick starrte er sie an und Lena war einen Moment versucht, einfach wieder umzudrehen. Sollte eine emanzipierte, selbstbewusste Frau sich so einen Ton gefallen lassen? Vielleicht war Jakob Mehlwurm doch nicht so toll, wie sie immer den Eindruck hatte, wenn er ihr unten im Hausflur begegnete und sie nett und charmant anstrahlte?
“Äh, Kaffeepulver?”, murmelte Lena plötzlich eingeschüchtert. Es brauchte eine Weile, man konnte es förmlich rattern hören in Jakob Mehlwurms Kopf. Dann ging plötzlich ein breites Grinsen über sein Gesicht, begleitet von einem taxierenden Blick auf Lena, einmal hoch und runter und wieder zurück. Sie fühlte sich unwohl. Sie war gerade erst aus dem Bett gekommen, hatte eine dünne Legging und ein T-Shirt in Übergröße an, ihre Füße stecken in Stoppersocken mit Sternchenmuster. Ihre halblangen, zum Teil ergrauten Haare wuselten sich offen um ihr feines Gesicht, das bereits mit vielen kleinen Falten um Augen und Mund durchzogen war. Mit Ende Vierzig krabbelte man morgens nicht mehr wie der junge Frühling aus dem durchgeschwitzten Bett. Aber auch Jakob Mehlwurm sah um diese frühe Morgenstunde nicht aus wie der tatkräftige junge Held mit Schwert und Schild, bereit für die mutige Drachenjagd. Er musste wenigstens Anfang fünfzig sein, der fehlende Kaffee als Muntermacher stand ihm im zerknitterten Gesicht geschrieben. Lena entschuldigte damit seine schlechte Laune, sonst wäre sie wohl doch umgedreht.
“Hey, wie denn das jetzt? Wie weißt du denn, woher…? Na, egal, komm’ rein, ja, mir ist tatsächlich der Kaffee ausgegangen. Und ohne Kaffee bin ich morgens nur ein halber Mensch.” Jakob wurde wieder charmant. Ob er sie im Schlabber T-shirt und Sternchenstoppersocken trotzdem attraktiv fand, oder er so nach Kaffee gierte, dass ihm die Überbringerin desselben wurscht war, konnte Lena nicht ausmachen.
“Und ich ohne Toast. Hast du noch ein unverbranntes?”, log Lena, die morgens selten etwas aß. Erstaunt sah er sie an, fragte aber nicht weiter nach.
“Joah, noch eine ganze Packung, muss nur noch die verkohlten Krümel aus dem Toaster holen.”
“Ja, bitte, sonst stinkt meine ganze Küche danach,” lachte Lena und Jakob sah sie wieder verwundert an. Aber wer verstand schon Frauen, dachte er.

(Leseprobe Ende)

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Autorenhomepage und Blog von Jannae Nadius

Auf den Seiten im Menu findet sich alles zu meinen schriftstellerischen Aktivitäten: Eine Liste meiner Veröffentlichungen, davon Leseproben oder einzelne vollständige Erzählungen.

Im Blog poste ich Essays, Kommentare und persönliche Gedanken.

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Viel Spaß beim Stöbern.

Jannae

Auf facebook und instagram findet ihr mich unter Jannae Nadius, auf Friendica und Mastodon unter dem jannae(at)sozialer.irrpfad.de.

Die vierte Kränkung der Menschheit

Avi Loeb: Außerirdisch – Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten, DVA , 2021, 264 S.

„Wenn das Unmögliche ausgeschlossen ist, muss das, was übrig bleibt, egal wie unwahrscheinlich es ist, die Wahrheit sein.“ (Avi Loeb)

Kurz und knapp: Worum geht’s in dem Buch? Avi Loeb, Professor für Astrophysik und Vorsitzender des Fachbereichs an der Havard Universität, u.a. gerade aktuell auch Vorsitzender des Beratungskomitees des Forschungs- und Entwicklungsprojektes Breakthrough Starshot, setzt sich mit der Möglichkeit außerirdischen Lebens auseinander und dazu exemplarisch mit einer Beobachtung eines Objektes, das sich im September 2017 an der Sonne vorbei bewegte. Dieses Objekt, das über Teleskope auf Hawaii beobachtet wurde, bekam von den Astronomen den Namen „‘Oumuamua“ – auf hawaiisch ungefähr „Kundschafter“. Es entbrannten heftige Diskussionen, Unmengen an Berechnungen wurden angestellt und Ergebnisse und Argumente darüber veröffentlicht, was für ein Objekt „‘Oumuamua“ gewesen sein könnte. Die letztendlich offizielle Erklärung, trotz Ermangelung einer physikalisch wirklich eindeutig plausiblen: Es müsse sich um ein natürliches Objekt handeln, auch wenn diese Erklärungen scheinbar auf lauter naturwissenschaftliche Widersprüche stößt. Der Astrophysiker Loeb ist anderer Meinung und hält es durchaus für möglich, dass es sich um „Weltraumschrott“ einer anderen Zivilisation handeln könnte, eventuell ein übriggebliebenes Sonnensegel eines ehemaligen Flugobjekts. Er begründet das ausführlich. Er ist dafür ein Fachmann, denn in dem o.g. Forschungsprojekt geht es um die Entwicklung von Sonnensegeln für unsere eigene Raumfahrt.

Er bemängelt nicht nur die Obstination, mit der die Möglichkeit dieser These abgelehnt wird, sondern auch unsere mangelnde Bereitschaft, uns mit der Einsicht zu konfrontieren, dass wir nicht einzigartig und auch nicht allein im Universum sind.

Mir geht es hier nicht darum, meine eigene Position kundzutun, was „‘Oumuamua“ gewesen sein könnte, denn ich bin kein Astrophysiker – dafür empfehle ich jedem, das Buch selbst zu lesen, und sich eine Meinung zu bilden -, sondern um die psychologische Seite genau dieser obstinaten Ablehnung, mit der Menschen nicht nur auf die Vorstellung der Existenz außerirdischen Lebens reagieren, sondern vor allem darauf, dass diese uns streifen oder gar „besuchen“ könnten. Bei „‘Oumuamua“ geht es ja nicht mal um einen irdischen UFO-Besuch, sondern um etwas, was weit von uns weg vorbeigeflogen ist. Wieso kann diese These nicht gleichrangig neben den anderen Thesen stehen? Unbeweisbar, aber theoretisch möglich, genau wie einige andere?

Während des Lesens des Buches und seinen Ausführungen, wie sehr er auf Ablehnungen gestoßen ist, obwohl er ja wirklich kein „Spinner“, sondern vom Fach ist, fragte ich mich immer wieder: Was führt zu dieser unglaublichen Leidenschaft und Vehemenz, mit der diese Vorstellung, dass es Weltraumschrott einer anderen Zivilisation sein könnte, abgelehnt wird? Die Frage scheint mit Emotionen behaftet, die über rein wissenschaftliche Ablehnung hinausgeht.  

Und genau das beschäftigt mich: Es geht hier nicht nur um sachliche, wissenschaftliche Argumente für und wider, sondern offenbar um eine ganze Weltanschauung: Die grundsätzliche Ablehnung der Möglichkeit, dass wir mit Außerirdischen irgendwie in Berührung kommen könnten, die sich äußert durch: entweder Belächeln oder einer aufgesetzten Gleichgültigkeit der Frage gegenüber oder einer plakativen Zurückweisung: „Es muss bei den Sichtungen eine ganz ‚natürliche‘ Erklärung geben“ – und dieses ‚natürliche‘ soll wohl etwas sein, was keine Angst macht, dem eigenen Weltbild entspricht und in diesem Weltbild sind Außerirdische eben keine natürliche Erklärung.

Auch in meinem Bekanntenkreis stoße ich vorwiegend auf Menschen, die sich über die Beschäftigung mit UFOs (jetzt UAPs) und Hinweise auf extraterrestrisches Leben lustig machen und mich hier vielleicht sogar als „spirituell durchgeknallt“ abtun, weil ich der Frage einen Blogeintrag widme und solche Bücher lese. Die wenigstens unter ihnen lehnen zwar die theoretische Möglichkeit einer Existenz von „vielleicht irgendwie was Lebendiges da draußen“ rundweg ab, (das ist auch schwer angesichts der Immensität des Universums und der Möglichkeit, dass es noch andere Universen gibt), aber erstaunlich wenige können dann wiederrum glauben, dass wir damit dann tatsächlich auch mal in Berührung kommen könnten. Die Sichtungen müssen ihrer Meinung nach etwas anderes sein, vielleicht doch alles Fake (tatsächlich wurden früher die Jet-Piloten öfter für verrückt erklärt, wenn sie so etwas berichteten), aber was das sein könnte, ist ihnen eigentlich egal und es hat für sie keine Relevanz. So einfach ist das. Wirklich? Keine Relevanz? Was sagt das über uns aus?

Zwar löste am Halloween-Vorabend des Jahres 1938 das Hörspiel im Radio „Krieg der Welten“ von Orson Welles eine Massenpanik an der US-Ostküste aus, weil die Menschen nicht begriffen, dass die Invasion von Außerirdischen keine echte Nachricht war, aber ansonsten verwundert mich die Gleichgültigkeit, mit der die Medien und die breite Öffentlichkeit auf die Hunderte von unerklärlichen Sichtungen, zurzeit gerade verstärkt, reagieren. Und ich sehe jetzt schon viele meiner Blog-Leser, die an dieser Stelle denken: „Ohé, schon wieder so ein Mumpitz.“ Ich stelle fest, dass viele von den NASA- Berichten und den Sitzungen im US- Kongress von 2021 nicht einmal etwas wissen, denn es ging nicht wirklich durch die breiten Medien, schon gar nicht durch die Schlagzeilen. Und ich frage mich:

„Wieso nicht?“

Dazu darum vorab ein kleiner Exkurs:

„Wir sehen sie überall. Wir beobachten eine beträchtliche Anzahl von UFOs, deren Natur nicht klar ist“. So steht es im ersten Absatz des Berichts von drei Astronomen des Astronomischen Hauptobservatoriums der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, – ein von der NASA beauftragtes Research Team-, der am 16. September 2022 veröffentlicht wurde. Diese Objekte fliegen mit Geschwindigkeit bis zu 15 Kilometer pro Sekunde (54.000 km/h).

Spannend? Wenn es der Anfang eines Science-fiction Romans wäre, würden die Leser dran kleben bleiben, denn als Fantasiegeschichte reißt es den Menschen mit, wie man an den unzähligen Science-Fiction Filmen sieht. Das ist jetzt aber echt. Und plötzlich reißt es nicht mehr mit? Es gab jedenfalls nach der Veröffentlichung dieses Berichts keine einzige Hauptschlagzeile in den Leitmedien dazu, nicht in der Tagesschau, nicht in den Tagesthemen, nicht in der FAZ, nicht in der SZ, nicht mal im Wissenschaftsteil des Spiegel-online. Zwar berichten viele Zeitungen darüber – aber irgendwo unter ferner liefen, aber nicht als etwas, was die Hauptseite wert wäre. Man musste schon sehr gezielt danach suchen (am Ende des Blogs setze ich eine Linkliste). Meines Wissens hat bezeichnenderweise gerade die Bild das Thema nicht mal in einem Nebenartikel aufgegriffen, auch nicht online. Erstaunlich! Man hätte meinen müssen, für die Bild hätte das ein gefundenes Fressen sein müssen. Ich sehe die Schlagzeile, fett rot unterstrichen: „Greifen jetzt Marsmännchen in den Ukraine-krieg ein?“. Das wäre der Bildzeitung würdig gewesen. Wieso erwähnen sie diese Nachricht mit keiner Silbe? Das ist sehr kurios. Stattdessen befand die Bild, dass am 17.09. 22 die Schulden des namibische Botschafters A. Guibeb als Leitartikel spannender war.

Das erinnert mich an das Kapitel „The unmarked space. Was Leitmedien nicht thematisieren“, aus dem Buch von Precht und Welzer „Die vierte Macht“, 2022. Zitat: „Die Menschen leben nicht in einer Realität, sie erzeugen sie.“ Gemeint ist, dass der Mensch sich seine Realität schafft, indem er dem einen Aufmerksamkeit schenkt und etwas anderes ausblendet, nach dem Motto: Mit was ich mich nicht beschäftige, tritt nicht in meine Realität ein. Was nicht in meine Realität eintritt, existiert für mich nicht. Das ist den Philosophen schon lange bekannt. Das auf die japanische Philosophie zurückgehende Bild der drei Affen „nichts sehen, nichts hören und nichts sagen“ drückt das Gleiche aus: Ich sehe nichts, ich weiß nichts, dann passiert schon nichts. Mit dem Klimawandel und dem Artensterben verfahren viele ja genauso.

Wenn ich mich nicht mit UFOs und den unerklärlichen Beobachtungen beschäftige, existieren sie nicht und es muss mir nicht unheimlich sein.  Ich komme damit zurück zum Thema:

Jetpiloten der Navy haben immer wieder Flugobjekte beobachtet. In den Jahren 2004 und 2015 zeichneten die Bordkameras von Navy-Jets mehrere solcher Begegnungen mit unbekannten Flugobjekten auf. Darauf zu sehen: ovale, sehr schnell fliegende Objekte, die keinen sicht- oder messbaren Antrieb zu haben scheinen und Manöver fliegen konnten, die man bis heute nicht erklären kann. 2017 ging ein Video mit dem Gespräch zweier Piloten unter dem Schlagwort ““Look at that thing!“ um die Welt, (-aber nicht durch die Leitmedien). Die Objekte vollführen Flugmanöver und Richtungswechsel, die mit menschlicher aktueller Technik nicht möglich sind. 140 solcher Sichtungen kann sich das Pentagon bis heute nicht erklären und 2021 wurde die Ufo-Sichtungen auch im US-Kongress debattiert. Der „Intelligence Authorization Act“ von 2021 setze den US-Geheimdiensten, die bis dato die Nachforschungen geheim gehalten hatten, eine Frist von 180 Tagen, den Kongress über Ufos zu informieren. Ach ja, die heißen aber jetzt nicht mehr UFOs, sondern „unidentified aerial phenomena“, UAPs. Schon im Jahr 2017 hatte die US-Regierung erstmals zugegeben, dass eine Abteilung des Pentagon mindestens seit 2007 mit einem Millionenbudget Ufo-Sichtungen erforscht hatte, die meisten davon stammten von US-Kampfpiloten der Navy, weswegen die „Unidentified Aerial Phenomenon Task Force“ später an den Marine-Geheimdienst angedockt wurde.

Im Kongress ergab sich, „dass aber die Hauptsorge der USA natürlich sei, dass eine verfeindete Großmacht, China oder Russland etwa, ein technologischer Durchbruch gelungen sein könnte, der sie dazu befähigt, solche Flugobjekte entwickelt zu haben“, so Senator Marco Rubio 2021.

Das ist die Sicht der Politiker, nicht unbedingt der NASA. Auch Politiker haben offenbar ihre Schwierigkeiten mit der Akzeptanz des sehr Unwahrscheinlichen und ziehen es vor, an das Unmögliche zu glauben (siehe Eingangszitat von A.Loeb), um nicht ihr Weltbild umzukrempeln.

Was sind die möglichen Gründe für das Ablehnen vieler Menschen, einschließlich der Medien und Politiker, das Thema „Außerirdische Zivilisationen“ und UFOs ernst zu nehmen?

Das treibt mich um seit dem Buch von Avi Loeb. Dafür mag es mehrere Motive geben. Für mich habe ich drei Hauptmotive ausgemacht

1. Ein Thema, das überhaupt keine Nutzen-Risikoeinschätzung erlaubt.

(Angelehnt an den pragmatischer Wahrheitsbegriff des Philosophen William James, amerikanischer Philosoph, 1842 – 1910). Ein Motiv ist vermutlich, dass der Mensch mit diesem völlig diffusen Gefühl einer eventuellen Existenz von Außerirdischen nicht weiterkommt. Es ist etwas absolut Uneinschätzbares für ihn. Er kann weder Risiko noch Benefiz auch nur annähernd evaluieren. Er weiß nicht mal, ob es überhaupt ein Risiko oder ein Benefiz gibt. Es ist nicht mal Grauzone: es ist völlig unklar, was er davon halten soll. Keine Spekulationsmöglichkeit. Keiner weiß irgendetwas Genaues, es gibt nicht mal gängige Verschwörungstheorien dazu. Was bleibt dem Menschen angesichts so viel Unklarheit? Es einfach ignorieren! Alles wird vom menschlichen Primatengehirn danach evaluiert, was für ihn relevant ist und welche praktischen Folgen eine angenommene Wahrheit für ihn hat. Informationen werden mit alten Denkmustern abgeglichen, es wird nach Übereinstimmung, Wiedererkennung und erfahrenen Konsequenzen gesucht. Nach William James dient Wahrheit zur Orientierung. Wenn sie keine Orientierung bietet, dann benötigt er als der Trockennasenprimat, der der Mensch nun mal ist, diese Wahrheit nicht. Wahrheit ist nichts Absolutes. Was wahr ist, wird nach der Kultur und den aktuellen Lebensumständen entschieden, in der er lebt. Und UFOs sind in unserer Kultur nicht „wahr“, gehören nicht zu dem, über was man sich unterhält, was einen diskutierten Impakt haben könnte. Und Orientierung gibt es schon mal gar nicht – außer, man hofft, dass in den UFOs Wesen sitzen, die im letzten Moment den Menschen vorm Untergang retten. Aber dann kommen wir bereits in die Religion und entfernen uns von der Wissenschaft.

2. Die vierte Kränkung der Menschheit

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Mensch die Annahme von viel intelligenteren Wesen als „vierte Kränkung der Menschheit“ ansieht. Die Idee mit den Kränkungen der Menschheit kommt von dem guten alten Sigmund Freud. Er meinte, der Mensch habe drei Kränkungen in seiner Geschichte erfahren: die erste war Kopernikus: der Mensch ist nicht Zentrum des Universums. Erster Schlag in die Magengrube des menschlichen Selbstbewusstseins.

Zweite Kränkung: Der Darwinismus. Der Mensch hat gemeinsame Vorfahren mit dem Affen, zählt sogar mit ihm zu den Primaten: den oben erwähnten Trocken- oder Haarnasenaffen. Welch‘ Schmach für eine Wesen, das sich nach dem Ebenbild Gottes erschaffen wähnte, ist es eigentlich das Ebenbild eines Affens mit besonders ausgeprägten Neocortex und raffiniert ausgeklügeltem Sprachzentrum.

Die dritte Kränkung glaubt Freud dem Menschen selbst zugefügt zu haben und zwar mit der Erkenntnis, dass der sich seit den griechischen Philosophen so rational glaubende Mensch tatsächlich eigentlich zu 95% von seinem Unterbewusstsein gesteuert wird. (Der zeitgenössische Philosoph Gerd Scobel geht von sieben Kränkungen aus, die er in seiner Youtube-Sendung „Scobel“ genau definiert. Das Video ist sehenswert, wie der gesamte Kanal von Gerd Scobel, soll aber hier mal außen vor gelassen werden.) Wie die breite Öffentlichkeit reagiert hat, die zu den Zeiten der ersten beiden Kränkungen von der Kirche angeführt wurde, ist hinlänglich bekannt.

Ist nun die Vorstellung einer intelligenteren, technisch viel weiteren Zivilisation, überhaupt die Annahme, dass wir wirklich nicht die einzige intelligente Lebensform im Universum sind, für den Menschen eine weitere, vierte Kränkung in seinem Selbstverständnis als „Krönung der Schöpfung“? Und damit für ihn unannehmbar, wie ehemals der Gedanke, dass die Erde mit dem Menschen nicht im Zentrum von allem steht? Dieser Gedanke drängte sich mir als erstes auf, als ich das Buch von Avi Loeb las.

3. Die Leitmedien orientieren sich an dem Themenkatalog der Politiker, auf dessen Agenda das Thema UFOs und außerirdisches Leben eben nicht steht

Bleibt die bereits oben aufgeworfene Frage, wieso auch die Leitmedien, vorneweg die Bildzeitung, die doch für solche Themen prädestiniert wäre (was für ein weites Feld von abenteuerlichen Spekulationen und reißerischen Überschriften), so erstaunlich zurückhaltend in ihrer Berichterstattung sind. Die Angst, eine Massenpanik wie 1938 durch Orson Welles Hörspiel auszulösen, sicher nicht.

Das neue Buch von Richard David Precht und Harald Welzer: „Die vierte Macht“ (2022) brachte mich auf die folgende Schlussfolgerung: Liegt es daran, dass sich die Politik damit nicht beschäftigt, so dass sich auch die Medien dafür nicht interessieren? Eine Theorie des Buches von Precht und Welzer ist, dass die Medien sich vor allem mit den Themen beschäftigen, die auf der Agenda und dem Repertoire der Politiker stehen. Diese These geht wiederum auf eine Studie von Michael Haller von der Otto-Brenner Stiftung 2017 zurück. Bei der Studie kam heraus, dass die Leitmedien sich in den letzten Jahren (die Studie beginnt bei der Flüchtlingskrise 2015) nicht an dem orientieren, was geschieht, sondern wie die Politiker damit umgehen. Danach würde immer kommentiert, was die Politiker gesagt und getan haben und dieses gegebenenfalls kritisiert oder gutgeheißen. Die Autoren konstatieren eine Art gemeinsamen Helikopterperspektive der Leitmedien und der Politiker auf Themen. Zitat S. 79 des Buches: „Sie (die Journalisten) interessieren sich weniger für das konkrete Geschehen als dafür, wie die politische Elite damit umzugehen versuchten“. Wenn die politische Elite also gar nicht damit umgeht, wie im Falle des (absolut seriösen) Berichts der  UFOs/UAPs über der Ukraine – findet es dann auch keine Erwähnung in den Medien? Natürlich beschäftigen sich Politiker mit dem Thema nicht- was sollte die Ampelkoalition-Regierung, eingebettet in soviel brennenden Themen, in einer vier-jährigen Legislaturperiode mit so einem Thema auch anfangen? Es hat für sie objektiv keinerlei Relevanz, da zurzeit keine politischen Entscheidungen gefragt sind, sei es nicht eine Freigabe eines Budgets für weitere Forschungen, was in Deutschland nicht ansteht. Deswegen kann es aber dennoch eine Relevanz für die Medien haben, weil es vielleicht kein politisches Interesse betrifft, aber doch dem Menschen bezüglich seiner Weltanschauung zu denken geben könnte. Eben genau da wäre eine Aufgabe der Medien als „Repräsentationslücke“ durch die Politik, von der Precht und Welzer schreiben.

*****

Ich würde mir in jedem Fall eine öffentliche Debatte zu dem Thema wünschen und mehr mediale Aufmerksamkeit – trotz des vielen fabulierenden Schwachsinns, der auch dabei herauskommen mag. Es wäre vielleicht Wasser auf den Phantasie-Mühlen der Verschwörungstheoretiker, aber es würde die Menschen etwas mehr für das interessieren, was in der Astrophysik vor sich geht. Die Menschen würden den Blick von ihrem täglichen Klein-Klein auf andere Fragen richten: nach multiplen Universen, nach der Simulationstheorien, nach der Infragestellung der Relativitätstheorie, die gerade aktuell ist. Das wird weder das Klima retten noch Frieden auf der Erde herstellen. Aber es würde den Menschen daran erinnern, wie unwichtig wir sind. Wie banal die neuesten Handys in der Tasche, wie albern SUVs in der Innenstadt und wie wenig wir die „Krone der Schöpfung“ sind. Nicht allen, aber ein paar mehr Menschen. Die, die sich für mehr als das interessieren, was auf der auf vier Jahre ausgerichteten Agenda der aktuellen Politik steht.

Und wer weiß, ob diese Sichtungen nicht doch zukünftig eine Relevanz haben. Keiner weiß das. Genauso wie die Bedeutung der Fragen nach weiteren Universen, nach den Simulationstheorien und nach der Vereinbarkeit von Quantenfeldtheorie und der Einstein’schen Gravitation. Wenn wir mehr sind als „Trockennasenprimaten“, sollten wir uns darüber Gedanken machen: viele Astrophysiker tun das und zu Recht.

In den Himmel zu sehen erdet. Und mit Himmel meine ich unser Universum und all‘ die unglaublichen physikalischen Erkenntnisse und die noch zahlreicheren Unkenntnisse, die wir Menschen angehäuft haben.

Einige Quellenangaben unter vielen von mir konsultierten:

Sehr sehenswert zu dem Thema das Interview in Sternstunde Philosophie auf dem Schweizer Sender SRF vom 26.06.2022 mit NASA-Forschungsdirektor, Thomas Zubuchen, der selbstverständlich davon ausgeht, dass wir im Universum nicht allein sind, sowie die Sendung von Robert Fleischer: UFOs – Die größte Herausforderung der Menschheit , 30 Juli 2022, der sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, warum das Thema UFOs wichtig ist.

Sehr erleuchtend auch das Interview der Spektrum-der-Wissenschaft mit dem Astrobiologen Dirk Schulze-Makush. Sein letztes Buch, zusammen mit William Bains geschrieben: „Das lebende Universum“, ist 2019 im Wissenschaftsverlag Springer erschienen.

Zu den UFO Sichtungen über der Ukraine im September 2022 (mein letzter Zugriff jeweils am 12.10.22)

Originalbericht des Astronomischen Observatoriums in Zusammenarbeit mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine https://arxiv.org/pdf/2208.11215.pdf vom 16.09.2022

https://www.hna.de/wissen/ukraine-ufos-ueber-kiew-krieg-luftraum-wir-sehen-sie-ueberall-uap-astronomen-zr-91802957.html, vom 21.09.2022.

https://www.merkur.de/welt/ukraine-krieg-ufo-sichtungen-kiew-astronomie-raetsel-mysterioes-himmelskoerper-usa-91798447.html

Der Stern: Hier sind viele Videos online https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/ukrainische-astronomen-melden-grosse-anzahl-von-ufos-ueber-kiew–32728834.html 17.09.2022.

https://www.stern.de/politik/ausland/us-geheimdienste-muessen-bald-praesentieren–was-sie-ueber-ufos-wissen-9561202.html 12.01.2021.

https://www.futurezone.de/science/article387207/ukraine-krieg-ufos.html Dana Neumann17.09.2022.

https://www.heute.at/s/nasa-studie-findet-unzaehlige-ufos-ueber-kiew-100228000 14.09.2022.

Wissenschaftler nehmen UFOs immer ernster – auch wegen des Kriegs in der Ukraine, von Michael Förtsch auf 1E9 vom 7.11.2022, zählt nicht nur die Objekte auf, die man nicht erklären kann, sondern erklärt auf der anderen Seite auch ausführlich, was die Objekte dann tatsächlich waren, die man erklären konnte – was auch spannend ist.

Das Buch von Precht und Welzer „Die Vierte Macht“, 2022, ist wirklich lesenswert.

Ich habe zu dem Thema auch eine Shortstory geschrieben, die ich -> hier als Leseprobe veröffentlicht habe.

Das Brüllen des Löwens nach bedingungsloser Liebe

Bedingungslose Liebe des Partners als Ersatz für Gottesliebe?

Gefunden auf Instagramm am 18.10.2022

Grundsätzlich fand ich es bereits sehr erstaunlich, dass die Forderung nach der „höchsten Form der Liebe“ in das aufgerissene Maul eines offenbar männlichen Löwens geschrieben steht, der weder symbolisch für eine besondere Liebesfähigkeit steht noch für große Familienkompetenz: Bekanntlich jagen die Löwinnen, jedoch nimmt sich der bis dahin faul herumliegende Löwe als erster von der – mit eher weniger Liebe – gerissenen Beute. Was die Autorin des Memes damit bezwecken wollte, entzieht sich aller meiner Interpretationskunst, außer, ich bemühe die Freud’sche Fehlleistung, strapaziere sie über und ergehe mich in der Vermutung, dass in der Schreiberin eine versteckte Sehnsucht nach absoluter Hingabe zu einem egomanischen Macho-Typen schlummert und für sie das bedingungslos lieben bedeutet. Ich gehe davon aus, dass das zumindest nicht die beabsichtigte Botschaft sein sollte, sondern sich einreiht in eine Unmenge an im Wortlaut ähnlicher anderer „Weisheitsaussagen“, z.B.:

  • Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann, ist es keine Liebe, sondern ein Handeln in dem ständigen Plus und Minus gegeneinander abgewogen werden (Emma Goldmann)
  • Bedingungslose Liebe: Es geht darum, deinen Partner so zu akzeptieren, wie er ist, ohne zu versuchen, ihn zu ändern. (www.starke-gedanken.de)
  • Einen Menschen mit seinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren und ihn bedingungslos zu lieben, ist es, was eine Liebe so echt und so stark macht. – Esragül Schönast (www.weisewortwahl.de)

Die Sehnsucht hinter solchen Posts ist immer dieselbe: bedingungslos geliebt werden zu wollen und selbst jemanden bedingungslos zu lieben. Kein Abwägen von Plus und Minus, von negativen und positiven Seiten, keine Vorwürfe, keine Kritik, kein Aneinander-Rummäkeln, ein „ich liebe dich genauso wie du bist und egal, was du tust“, keine Bedingungen stellen.  

Dieser Anspruch ist der absolute Hype in der spirituellen Szene und setzt eine Partnerschaft dermaßen unter Erwartungsdruck, dass sie jede Beziehung früher oder später zum Zerplatzen bringt. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es diesen Anspruch nicht: Eine Ehe hatte pragmatische Gründe und selbst in den 50er Jahren teilte man nicht alle Aufgaben mit seinem Partner, sondern jeder hatte seine klar definierte Rolle zu erfüllen.

Dennoch ist diese Sehnsucht natürlich viel älter und keine Erfindung der Moderne. In der buddhistischen Lehre findet man sie in dem „geistigen Zustand der erleuchteten Liebe zur Welt“, die nur sehr wenige erlangen, die eigentlich schon reif für das Nirvana sind – und eben nicht jeder Hans und Franz. Das Christentum postuliert eine „bedingungslose Liebe durch Gott“ (auch wenn die sich mir bei den ganzen Bedingungen, die daran geknüpft sind, vorneweg die 10 Gebote, nicht ganz erschließt).

 In einer Podcast-Folge „Lanz&Precht“ aus dem September `22 stellte der Philosoph Richard David Precht die These auf, dass heute anstelle des christlichen Glaubens mit seiner bedingungslosen Liebe Gottes bzw. Jesus‘ die Suche nach dem einen Seelenpartner getreten ist. Der Partner soll einen nun bedingungslos lieben, quasi kompensatorisch für die Gottesliebe, die (zumindest das Neue Testament) verspricht. Das ist ein hehrer Anspruch an einen Menschen. Und häufig sind die, die sich am meisten danach sehnen die, die es selbst am wenigstens praktizieren können. Und so erwartet man, einen Seelenpartner zu finden, der einem das doch bitte beibringen möge:

  • Unser Seelenpartner lehrt uns die Lektionen in Vergebung und bedingungsloser Liebe, die wir lernen müssen.

Die Aussage ist nicht ganz eindeutig: entweder soll ich mich, egal, wie Scheiße sich der andere verhält, darin üben, ihn dennoch „bedingungslos“ zu lieben (also auch nicht die Bedingung nach einer respektvollen Behandlung stellen) und ihm alles vergeben – wohin das vermutlich führt, kann jeder sich selbst ausmalen -, oder aber der Anspruch geht dann noch ein Stückchen weiter, was ich bei der Autorin dieses Memes als Botschaft vermute: Der Partner soll nicht nur seelenverwandt sein und darf auch keine Bedingungen an mich stellen, sondern er muss mir außerdem in Weisheit, Lebensklugheit und Sozialkompetenz noch weit voraus sein, so dass ich durch ihn das bedingungslose Lieben erlernen kann. Er soll also etwas können, was ich, diesem Anspruch gemäß, offenbar nicht in der Lage bin: mich selbst wertschätzen wie ich bin und nicht angewiesen zu sein auf jemanden, der das mehr tut als ich selbst. Aber wenn er mir seelenverwandt wäre: wäre er dann nicht mindestens genauso unvollkommen wie ich selbst?

Es gibt da übrigens ein interessantes Modell von Thomas Gordon, einem amerikanischen Psychologen (* 11. März 1918; † 26. August 2002): Das Beziehungskonto. Das steht diametral dem Anspruch nach Bedingungslosigkeit gegenüber und erklärt meiner Meinung nach das Scheitern von Beziehungen überzeugender als die Unfähigkeit zu bedingungsloser Liebe des ach doch so fehlerhaften Partners.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint (Essay)

Ein grundsätzlich fehlerhaftes System wird nicht über das Drehen an kleinen Stellschrauben weniger fehlerhaft.

(Ein Essay) Wieso wird in Deutschland aus so vielen Gesetzen, die aussehen wie eine Reform und eine Verbesserung, so oft ein de facto-Rückschritt?
In Deutschland ist nun ab 2022 endlich das Kükenschreddern verboten. Endlich! Die Tiere werden nicht mehr bei lebendigem Leib in einen Fleischwolf geworfen.
Und nun? Wie so oft hat keiner das Ganze zu Ende gedacht, als Letzter der Gesetzgeber. Jetzt sitzen die männlichen Hühner, die das Kükenalter dank Gesetz überlebt haben, drei Monate auf 0,056 m2, während ihre Schwestern wenigstens 0,075 zur Verfügung haben. Oft sind sie als Küken durch halb Europa gekarrt worden, um in Polen, den Niederlanden, Österreich oder Ungarn aufgezogen zu werden, weil es in Deutschland nicht genug Ställe gibt. Das vorm Schredder gerettet Küken wird zum Klimakiller. Außerdem bekommt es u.U. Soja aus Lateinamerika gefüttert. Wahlweise Tiermehl – ja, das Zeug, was im Zuge der BSE Krise 2001 verboten wurde, darf jetzt wieder eingesetzt werden, in der Schweinemast und der Geflügelzucht. Nein, wir lernen nicht. Aber das wissen wir ja spätestens seit der Coronakrise.
Zurück zum Hühnchen: Am Ende des kurzen Lebens wird es dann zu Frikasse oder Geflügelwürstchen, denn für was anderes ist das “minderwertige Fleisch” nicht zu gebrauchen, nicht als Brathähnchen, nicht als Filetstücke.
Zwischenfazit: was bringt es dem männlichen Küken, das es nicht mehr direkt nach dem Schlüpfen bei lebendigen Leibe geschreddert werden darf? Ein qualvolles Leben von 3 Monaten, auf engstem Raum, mit langen Transportwegen, schlechtem Futter und nur unwesentlich besseren Schlachtbedingungen als dem Fleischwolf.

Irgendwie geht das in der Logik in Richtung der Blühstreifen: erst deckt der Landwirt mit Hilfe von EU-Öko-Förderung den Insekten auf schönen Blühstreifen am Feldrand einen reichhaltigen Tisch, und wenn dann 30°C Grad herrschen und es ordentlich trocken ist, mäht er alles ab, sobald die gesetzliche Frist es ihm erlaubt – das ist spätestens in den Sommermonaten. Nichts überlebt, weder dort angesiedelte Arthropoden und ihre eventuell abgelegten Eigelege, noch eine Futterpflanze für die Tiere aus der Umgebung, seien es Insekten, Vögel oder Nager. Reptilien gibt es in unserem Grünland ja schon lange nicht mehr. Die wurden schon mit Einführung der Hand-Mähgerätes in den 20er Jahren nach und nach ausgerottet.

Und wenn man sich mal eingehender damit beschäftigen würde, fände man sicher noch eine Menge anderer solcher perverser Beispiele von Gesetzesreformen, die den erstrebten Zweck komplett ad absurdum führen. Das wirft die alte Frage von Max Weber nach dem Unterschied von Gesinnungs- und Verantwortungsethik auf, wenn gut gemeinte Gesetze es am Ende noch schlimmer machen, weil nicht zu Ende gedacht wurde. Welcher Ethik sollte ein Gesetz gerecht werden?

Vermutlich könnte man daraus ein Buch machen…

Übrigens, nebenbei bei meiner Recherche habe ich mit Erstaunen gelesen, dass Eier oft in Veggie-Produkten zum Einsatz kommen: Vegetarismus fördert bei Unachtsamkeit des  Konsumenten perverserweise also die Qual von Legehennen und indirekt ihrer Brüder. Und wenn das Ei im Veggie-Burger aus dem Ausland kam, dann wurden dafür auch Hähnchen geschreddert.
Ein Vegetarier, der es mit seinen Werten ernst meint, sieht also beim Kauf seiner Veggie-Produkte akribisch auf die Zutatenliste. Sonst wird auch jeder Verzicht auf Fleisch zum Wohle der Tiere ad absurdum geführt. Ei – in Veggieprodukten oft als Eipulver versteckt – sollte ein Vegetarier nur essen, wenn er weiß, wo es herkommt und unter welchen Bedingungen die Henne und seine Brüder gehalten wurden, sonst macht Vegetarismus aus moralischen Gründen wenig Sinn. Dann verhält er sich nicht besser als der deutsche Gesetzgeber mit seinen im Ergebnis absurden Gesetzen.

Vielleicht liegt es in der Natur der Sache: Wenn das ganze System krankt, macht man es mit kleinen Aktionen nicht unbedingt besser. Wenn wir eine Massentierhaltung haben, die nur ökonomischen Gesichtspunkten gehorcht, erreicht man mit dem Verbot von Kükenschreddern nichts. Wenn die konventionelle Landwirtschaft durch absurde GAP-Subventionen fern von ökologischen Notwendigkeiten agiert, dann retten auch keine  EU-finanzierten Blühstreifen.

Fazit: Ein marodes System wird nicht über kleine Stellschrauben weniger marode.

Inspiriert zum Thema und mich von da ausgehend weiter zum Recherchieren bewogen hat mich folgender Artikel:

rbb24: Mo 20.06.22 | 05:45 Uhr | Von Ute Barthel und Susett Kleine

Eier ohne Kükentöten: Ein wirklicher Fortschritt im Tierschutz?

-> Zur Nabu-Kritik der „hochkomplizierten, bürokratischen und ineffizienten Fördersystem der „Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“ – kurz GAP“

(Foto: Pixabay)

 

 

Was ich fühle und denke, muss über das Schreiben aus mir raus (persönlich)

(Etwas Persönliches) Wieso schreibe ich das hier alles gerade? Für wen und warum?
Dass ich schreibe, ist normal. Seit ich schreiben gelernt habe, schreibe ich und schon immer war es mir ein Bedürfnis, meine Gedanken und Empfindungen zu verschriftlichen. Ich begann mein erstes Tagebuch (das ich leider verloren habe, aber an dessen Umschlag ich mich noch genau erinnere), mit Anfang neun. Das folgende besitze ich aber noch, da war ich auch noch neun. Also muss ich in weniger als einem Jahr das erste Tagebuch vollgeschrieben habe und meiner Erinnerung nach war das ganz schön dick gewesen. Klein, DnA6 Größe, aber mit vielen Seiten. Allerdings habe ich damals auch sehr groß geschrieben, wie das wohl die meisten Grundschulkinder tun.

Seitdem schreibe ich Tagebuch. Schon damals habe ich dort nicht einfach reingeschrieben, was passiert ist, sondern von Anfang an auch, was ich davon halte, was mir widerfahren ist und was meine Beobachtungen mit mir machen. Ich habe inzwischen mehrere Kartons voll. Einige Tagebücher sind verloren gegangen – vor allem die, die ich dann mal eine kurze Zeit digital geführt habe, denn die sind inzwischen nicht nur in einem Dateiformat, sondern vor allem auf einem Speichermedium, das heute nicht mehr lesbar ist. Ich kenne noch die weiche schwarze Floppie-Disk. Meine Mutter hatte damals den ersten Commodore64, an den ich mich aber kaum rangewagt habe. Aber die meiste Zeit meines Lebens habe ich Tagebücher mit der Hand geschrieben – deswegen die vielen Kartons voll. Aber deswegen kann ich sie heute auch noch lesen. Und irgendwann mal verbrennen, denn die sollen niemals von jemand anderem gelesen werden, auch nicht von meinen Kinder. Sie sind auch instruiert, die mit handschriftlichen Tagebüchern gefüllten Kartons so wie sie sind zum Schreddern zu bringen, wenn ich es zu Lebzeiten nicht mehr rechtzeitig schaffe, weil mein Ende sich nicht angekündigt hat, zum Beispiel mit einer Krebsdiagnose oder der Notwendigkeit eine Nierendialyse, sondern ich einfach mit einem Unfall oder einem Herzinfarkt aus dem Leben trete.


Es macht einen Riesenunterschied, ob man mit der Hand oder einer Tastatur schreibt. Der Gedankenfluß ist anders. Ich würde nie einen Roman oder eine Kurzgeschichte mit der Hand schreiben und seit 20 Jahren schreibe ich wieder Tagebuch mit der Hand. Damit bin ich beim eigentlichen Thema: warum mache ich das hier? Und für wen? Die letztere Frage kann ich tatsächlich noch nicht beantworten. Ich versuche mich also erstmal mit dem “Warum”.


Ich habe mehrere Romane in den letzten drei Jahrzehnten begonnen und eine unübersehbare Anzahl an Fragmenten angesammelt. Viele Kurzgeschichten verfasst. Unmengen an Plotideen überall notiert. Ich schreibe für mein Leben gern. Als ich Ende Zwanzig war, gab es einen Moment, da wollte ich alles andere hinschmeißen – ich hatte gerade mein Jurastudium abgeschlossen und suchte verzweifelt und erfolglos nach Arbeit – und es doch zu probieren: Schriftstellerin zu werden. Ich schickte das Manuskript meines fertig gewordenen Romans an drei Verlage. Einfach so, auf gut Glück. Das war 1998. Ihr findet ihr jetzt als eBook auf amazon und weltbild.de, wo ich ihn dann vor einigen Jahren hochgeladen habe. Heute hätte es der Umschlag nicht mal mehr bis auf irgendeinen Schreibtisch eines Verlages geschafft, da man keine Manuskripte mehr verschickt, sondern Exposé erstellt, in der es nicht mehr als eine Inhaltsangabe, die Kernidee und ein Probekapitel gibt. Ich bekam von zwei Verlagen damals Antwort. Der eine schrieb nur: “Passt nicht in Verlagsprogramm.” Und der andere machte sich immerhin die Mühe und gab eine Meinung ab: “Würde sich besser als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift machen.” Immerhin.

Dann bekam ich endlich einen Job. Ich zog nach Paris – und bekam mein erstes Kind mit 32. Damit war meine Schriftstellerkarriere eigentlich bereits beendet, denn ich hörte ab dem Zeitpunkt nie auf, viel zu arbeiten, um dann auch das zweite Kind ernähren zu können. Es stellte sich heraus, dass der Kindesvater leider nicht in der Lage war, finanziell und auch sonst sich substanziell an der Aufzucht unserer Kinder zu beteiligen. Ich verließ ihn und dann war zusätzlich auch noch alleinerziehend. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich arbeite, um Geld zu verdienen und erziehe zwei Kinder allein.
Immer wieder habe ich versucht, unter den Bedingungen einen Roman komplett zu Ende zu schreiben. Das war schon schon schwierig genug, aber vor allem wurde mir klar, dass einen Verlag für seinen Roman zu finden mehr Zeit und Geld braucht, als den Roman überhaupt zu schreiben.


Jede Plotidee hat seine Zeit. Man schreibt mit 30 anders als mit 50. Romanfragmente von vor 20 Jahren werde ich jetzt nie wieder zu Ende schreiben. Tatsächlich nicht mal die von vor 10 Jahren.
Ich las von einem Krimi-Autor, der tagsüber einem geregelter Arbeit nachging, aber morgens um 4h aufstand und schrieb, bis sein eigentlicher Job losging, irgendeine anspruchslosen Beamtentätigkeit. So produzierte er Krimis am Band.
Ich versuchte das Gleiche in meiner Verzweiflung. Ich stehe seit über drei Jahren morgens um 5h auf, eine zeitlang auch früher, meine innere Uhr ist längst darauf geeicht – und quält sich dann jedesmal bei der Zeitumstellung im März!


Ich schreibe jeden Morgen. Wenigstens Tagebuch oder private E-mails. Mehr schaffe ich meist nicht. Manchmal eine Kurzgeschichte. Einen Roman muss man dagegen durchschreiben, im Flow, man beginnt morgens bis zum Abend, tagelang. Man liest vielleicht zwischendurch, geht spazieren, wie Thomas Mann das immer gemacht hat: erst vormittags viele Stunden schreiben, dann zwei Stunden spazierengehen – aber als Teil des Schreibprozesses. Ich mache dasselbe, wenn ich Ulraub habe. Spazierengehen und meinen Geist weiter mit meinem Roman beschäftigen lassen, das ist das A und O. Selten, sehr selten, komme ich den Genuß solcher Tage.

Letztes Jahr habe ich mir Urlaub genommen und ein paar Tage ein AirBnB in Müritz gemietet. Meine beiden recht großen Kinder allein gelassen. Drei Tage habe ich es genossen, dann wurde meine Tochter krank, ich musste frühzeitig meinen Urlaub abbrechen. Dieses Jahr wollte ich wieder meinen Urlaub nur zum Schreiben nutzen wollte. Dann stürzte just in dieser Zeit meine Mutter schwer und wurde zum Pflegefall. Wenn man die Kinder halbwegs durch hat, kommen die Eltern.

Viele in meinem Freundes- und Familienkreis sagen, dass meine Gechichten manchmal sehr wiederspiegeln, was mich beschäftigt, und das ist u.U. auch als Kritik gemeint, in dem Sinne, dass ich mich nicht genug von mir selbst lösen. Sie hat sicher Recht. Aber wenn man morgens um fünf aufwacht, sofort autoamisch die to-do Liste des Tags im Gehirn losrattert, man nur alles zu Seite schiebt, sich einen Kaffee holt und auch die Uhr guckt und weiß: jetzt genau 2 1/2h bis die Tochter aufsteht, eine Viertel Stunde später der Sohn, dann beginnt der eigene Job – dann taucht man nicht schreibend in eine Geschichte ein, wo man sich von sich selbst und seinem Leben loslöst. Aber das ist auch ein Einwiclungsprozess im Schreiben. Mit jedem Jahrzehnt, das ich älter werde, entferne ich mich vom autobiographischen Schreiben. Mit fünfzig habe ich einen Sprung absolviert und mich ganz davon gelöst. Nichtsdestotrotz sind alle meine Erzählungen stark von meinen momentanten Gefühlen und Gedanken gefärbt. Ich gehöre zu den Autoren, die, wie Maria Zuhorst von sich selbst sagt, die nicht schreiben können, was sie sollen, sondern nur das, was sie fühlen.

Seit ich mich zunehmend für Gesellschaftspolitik interessiere, auch mit wachsender Sorge, verändern sich die Themenbereiche meiner Erzählungen. Ich fühle mich mehr gedrängt, die philosophische und psychologische Seite unserer Gesellschaft und unseres Alltagslebens darszustellen als ihre humoristische.

Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen für die Menschheit, für unseren Planeten? Für unseren Alltag? Für unsere Kinder? Und mich drängt es, darüber zu schreiben. Immens drängt es mich. Und das dann auch in meinen Kurzgeschichten zu verwursten. Lebhafte Kurzgeschichten, die aber auch was vermitteln. Die ein Phänomen unserer Gesellschaft vermitteln. Ich kann es kaum noch aus meinen Geschichten lassen, zumindest nicht zur Zeit. Zu sehr beunruhigt mich auch, was auf der Welt passiert.

Mir kommen dann lauter spinnrige Ideen, selbst einen Podcast zu machen, einen Youtube Kanal mit Interviews, die ich mit jungen Leuten führe, eine Blogseite, auf Insta was zu initiieren.

Hier ist also zumindest schon mal der Blog, der Band mit Kurzgeschichten wächst auch, ich stehe morgens konsequent um 4.30h auf – und 2023 werde ich ihn hier vorstellen können :-).

(Foto: Jannae Nadius)

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Kategorie „Weisheiten in Sprüchen“

Zunehmend inflationär überschwemmen Sprüche-Memes die sozialen Medien, aufgepeppt niedergeschrieben auf einem gestalteten Hintergrund, der seinerseits bereits eine eigene Botschaft enhalten kann und werden dann auf Facebook, Instagram und Co. gepostet, per WhatsApp, Signal, etc., als Rundnachricht verschickt oder dort als Statusbild genutzt. Ein bis drei Sätze, mal naiv, mal ein Satz stellvertretend für eine ganze Lebensphilophie, mal eine Binsenwahrheit, mal klingen sie wie Verweiflungsschreie, die ein ganzes Universum an persönlichen Schicksalen vermuten lassen, andere offenbaren tiefe Sehnsüchte und Träume, manchmal sind sie auch einfach nur albern. Man überfliegt sie, fühlt sich für drei Sekunden angesprochen oder reagiert mit Ablehnung – und dann hat man es schon wieder vergessen. Aber alle erzählen auf ihre Art eine Geschichte … -> Weisheiten in Sprüchen

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